Der sdlmorie !eutnont Von Klaus Mitterlrnuser Rio de Janeiro (Erzählung aus dem Negerviertel) Josds Vergangenheit ,i,st in gieheimnisvoHes Dunkel gehüllt. Er schwcigt hartnäckig über seine Diem,tZJe:it als Mar rineleutnant im Zweiten Weltkrieg. Von früh morgens bis 111acbrmitta,g ,arbeitet er als Bäcke11gehilfe in ,der Dampfbadhitze einer Backstube. Ms Privatmann ist ,er ein Träunrer, der von den ve:tig'angenen, stolzen Offizier,stagen phantasi,ert. Lair, in einem verwaschenen blauen Kittel, reicht fose •ein Blechschälchen voll Matete•e. Lai·r hat sieb auf •die ehelicb,e kn!arrende Bettstatt nieidergesetzt u.nid blickt ihren Mann an: ,,J eidesmal wenn ich dich in ,der Uniform sehe, muß ich an den Sonntalg denken, am .clean wi1r un,s kennenlernten. Hätte ich damals gewußt, ,daß du e:in Bäcker bist, hätte ich ,dich niemals giehei11atet ! Du hast mich in die Fal:1grube gelockt, habe ich da 1s ve:tidient?" Ein langigezogener Lacher er,schall.t dumpf, J oses gelbe kräftige Zähne schi.eben sich vor: „Tj a, es wiar eben ein So=tag un11d ich brauchte ein Mädchen zum Säbelpolieren. Heute hast du werugstens das Ansehen, mit ,ein'em Marineoffizier verhei,ratet :m sein !" ,,Ach, du bist ja verrückt, Marineoffiziere leben ,doch nicht in der Favela!" „Jose, wenn du mich doch endlich in das Geheimnis deiner Vergangenheit einwe:i,hen wür1diest, wäre alles um so vieles leichter zu ertragen. Jose, ich habe dich im V,erdacht, du hast beim ~riegsdienst etwas verbrochen." Si-e ist au,fgespmmgen und im Raum hin urnd her lauifend scbretit sie: „J,st denn die Favela das ED'de einer 0 ffizi,er9k,arriere?" 42. Jose schleudert das leere T•eeschälchen zu Boden. Seine Stimme bebt als er brüllt: „Laß mich in Ruhe, in einer Woche werde ich mavschieren, j,a marschieren . im Paradeschritt, vor den Augen ·des Staatspräsidenten! " Er greift nach sein:er Uniformmüt:re, reißt die Brettertür auf und läuft .d.lavon. Lair läßt •sich 1schih1chzen!d aut11 ;die BettsitJatt ntiederfallen. Sie fohlt Mit1eild mit Jose, sie wiU nur eirues - ihm helfen . So kann es nicht weiter gehen. Die benachbarten Negerfamilien machen sim immer lustilg über den merlowü11digen Marin:eoffizier. Die dumpifen Schläge der Macumbatrommeln und monotone Gesänge der N~ger dringen durch die FaiVlela. In den Hütten flammen viele Lichtlein auf, in den Hüttenknei'Pen wüid es lebentl~g. Di!e MäUDJer sind von der Tagesarbeit heimgekehrt. Mit mü-den Gesichtern steigen Neger, Mulatten, Mestizen, auf ausgetretenen Lehmp.falden, di•e a,n steilen Stellen in holZJVerschal,te Stu:fen üherg-eihen, im Zick-Zack zu ,den Hütten ihrer Familien. l.Jair tritt auf den winzi,gen Holzb,alkon hinaus, um ,d:ie letzten Wäschestükk,e von der LeillJe zu nehmen. Sie atmet tief ein, ,di,e Luft ist mit Favida-Gerücben g,e.schwängert. Auf der ,a,n;deren Talseite blinken ·die roten Lichter .der Sendemaste von d·em gewaltigen Höhenzug der „ Serr.a da Garioca" . Auf dem Steig, den sie mit ihren Au:gen verfo1gt, liegen die sackähnlichen, •aiufgeplatzten „Jaqu:as F.rüch,te". A,uf offenem Feuier ·braten ,d:i,e Neger Flei,schspießchen un!d stimmen friedlich Volkslieder an. Da hallen ganz fürchterLiche Schreie durch di-e Nacht: eine Messevstecherci ist im Gange. La ir
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