Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1974

jedes einzelnen Gastes. Auch Heinz Grell machte gute Miene zum bösen Spiel, schlug dann aber zurück, als er aus seiner eigenen Schulz.eit eine köstliche Anekdote zum Besten gab, die die ganze Gesellschaft zum Lachen brad1te. Der Lehrer fühlte sich geschulmeistert und zog ein saures Gesicht. Am lautesten lachte Onkel Ernst . Oder war es Onkel Max? Sie waren Brüder und sahen sich zum Verwemseln ähnlich . Beide nanJJten eine geradezu klassische Glatze ihr eigen. Dazu das nämliche dicke rote Gesimt, die vergnügten Schweinsäugle in in wohlgespeicherten Fettpolstern und der kurze Stiernacken, die goldene Uhrkette an der Weste, die Zigarre im Mund. Der Bann war gebrochen. Der Nachmittag ließ sid1 gut an. Während Veronika den Lehrer ein wenig tröstete und ihm die gewünschte Auskunft über den Bildungsgang ihres Verlobten gab: ,,Abitur! " - ,,Immerhin eine gute Grundlage!" Während also dieses geschah, pirschte sich Heinz geschickt an Onkel Ernst heran. Er saß noch in der gleichen Positur, in der er ihn begrüßt hatte. Sie tranken einen Schnaps zusammen und waren bald im munteren Gespräm. Heinz schien auf den richtigen Knopf gedrückt zu haben, um sich bei dem vermögenden Onkel einzuführen. Er bewies nämlich ein sehr braves Branchewissen der Senf- und Essigindustrie, wußte auch viel Smmeichelhaftes über die unerreichten Erzeugnisse des Onkel Ernst zu berichten. Der Onkel lachte dröhnend: ,,Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen. du seist Vertreter in Essig und Senf! " Es fiel Heinz gar nimt auf, daß der alte Herr bestrebt war, das Gespräch auf 5aatmaschinen, Pflüge und andere Akkergeräte zu lenken. Gewiß, der junge Kaufmann wurde nicht unhöflich, wußte auch hier gut Bescheid. Aber immer wieder kam er auf Essig und Senf, ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft, die Ernährung, ja auch für die menschliche Kultur zurück. Am Ende war Onkel Ernst, der sich übrigens bescheiden Schulze nannte, schachmatt und sd1lug ei;:i Dort , wo der Dadisberg sidi im Westen sanft ver/ iert, in sonnbeglänzte, hügelige Wiesen, . liegt Kegelpriel, vom Lärm der Stadt fnst unberührt, nodi immer träu111end von den alten Riesen. Nur eine Häuserzeile sdimiegt sidi kindlidi sdilidit an unsre Stadt getreu und unbefangen. - Dodi hören wir, was hier die grnue Vorzeit spridit, als einst die Riesen ihre Kegel/1ugel sdiwangen: Sie steckten sidi ein großes, meilenweites Ziel und sdioben ihre Kugeln wütend ohne Regeln hinein ins grüne Steyrtal auf den Großen Priel, des Zwillingskogels und des Brotfalls schlanke Kegeln. die sollten alle fallen , - aber nur gemadi, sie stehn bis heute nodi, - die Riesen sind versdiwunden, und niemand trauert diesen Kanibalen nadi, - audi Riesen können unsre Berg~ nidit verwunden! Josef Reisinger 61

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