„Jemand", mit dem sie schon so oft heimlich gesprochen hatte, dieser Mann mit den guten Augen und dem lustigen Haarschopf. Ganz nahe trat sie zu ihm :hin, sagte „danke" und küßte ihn auf die Wange. Rechnungsoffizial Galeitner erschrak, so etwas war ihm während seiner vierunddreißig Dienstjahre noch niemal,s vorgekommen, nämlich, daß ihm jemand für die ordnungsgemäße Ueberweisung eines Fürsorgebetrages einen Kuß gegeben hätte, einen richtigen Kuß! Es war ihm nicht ganz wohl dabei, dienstlich gesehen. In Wahrheit ab er war dem Alten schon lange nicht mehr so wohl gewesen wie in diesem Augen- ·blick. Um seine Empfindungen zu verbergen, griff er nacb dem Telefon und rief die Abteilung V an. ,,Verzeihen Sie, Herr Kollege. Bei mir ist eine gewisse Mellnigg Maria. Ich möchte bloß fragen wie ,dieser Fall liegt." Was der Alte von der Fürsorgestelle über ,dieses Kind erfuhr, ö.ffnete ihm ganz das Herz. ,,Kind!, wie es halt damals war, als d,er Krieg zu Ende gegangen ist! Irgendwer hat dich irgendwo ., mitgenommen und jetzt bist du halt da und willst leben und willst eine Mutter haben wie andere auch, will sagen, einen Menschen, der sich wirklich um dich kümmert. Du hast gemeint, das wäre der, der ,das Geld für dich anweist. Kann schon sein, kann schon sein! Warum eigentlich nicht? Eine Mutter bin ich zwar nicht. Aber soviel wie eine Mutter könnte ich beinahe sein. Warum soll eine Mutter nicht einmal ausnahmsweise „Leopold" heißen?" Der Alte lachte, die Kleine lachte und mit diesem Lachen hatte die kleine Maria Mellnigg für immer den „Jemand" gefunden, -den sie so lange gesucht hat - te. Jeden Monat kam si-e nun zu dem alten Beamten, um sich für das angewiesene Geld zu bedanken. Anfangs ging sie noch in das Amt, später dann in die Wohnung draußen in der Vorstadt, lernte auch dessen gütige Frau kennen und lieben, - eine gegenseitige Liebe und wurde schließlich ganz in die Familie des Rechnungsoffizials Leopold Galeitner auf,genommen. DAS GR.OSSE 50 5TRUMPF O SPEZIALGE;SCHÄFT ST1=YR0 ENGE 16
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