Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1972

Sechzehnmal beleidigt Von CIaus Brandt ,, Sie müssen ihn vor Gericht bringen, Herr Doktor", sprudelte die Dame her– vor, kaum daß sie das Zimmer betreten hatte. ,,Er hat mich beleidigt, sechzehn– mal gröblich beleidigt." Rechtsanwalt Liebchen war erregte Besucher gewohnt. ,,Nun setzen Sie sich erst einmal", sagte er deshalb beschwich– tigend, ,, und dann erzählen Sie mir in aller Ruhe den Sachverhalt." Die Dame - sie war längst über die erste und auch über die zweite Jugend hinaus - ließ sich in den angebotenen Sessel fallen. ,, Ich bin völlig fertig", jammerte sie. ,,Meine armen Nerven!" Sie rang oHensichtlich nach Luft. ,,Die– ser Schuft hat meine Nerven ruiniert." „Und wer ist dieser . . . nun, dieser Schuft?" fragte der Rechtsanwalt mit vorsichtiger Zurückhaltung. ,, Der Herr Bergmeier", kam es zurück, „mein Untermieter. " Nun, da der Name <les so offensichtlich Verhaßten gefallen war, schien der Damm gebrochen. ,,Ich heiße Zirngieibeil, Amalie Zirngiebel", spru'delte die Besucherin hervor. ,,Seit mein Mann gestorben ist, vermiete ich ein Zimmer. Aber pur an durchaus se– riöse Herren. Doch mit dem Bergmeier bin ich hereingefallen. Dabei schien er doch so solide und anständig zu sein. Keine Damenbesuche, keine Trinkgela– ge, keine Ruhestörung, Nichtraucher ist er auch und die Miete hat er immer pünktlich bezahlt." „Aber dann ist er doch wirklich der ideale Untermieter", warf Dr. Liebchen ein. ,,Ja, das habe ich bisher auch gedacht. Wo er doch Assesor beim Gericht ist. Aber jetzt hat er sich entpuppt, dieser saubere Herr. Jetzt hat er seinen wah– ren Charakter gezeigt. Eine anständige Frau hat er beleidigt und das nicht nur einmal, nein, gleich sechzehnmal." „Sechzehnmal?" fragte der Anwalt nun doch interessiert. ,,Haben Sie denn so genau mitgezählt?" „Genau sechzehnmal", hauchte Frau Zirngiebel. ,,Und haben Sie Zeugen?" „Zeugen ", schnaubte die Besucherin verächtlich, ,,ich habe Beweise! " Sie kramte in ihrem etwas altmodischen Haßldtäschchen und brachte einen gan– zen Packen weißer Zettel zum Vorschein. ,,Diese Zettel", sie hob ihre Stimme, „diese sechzehn Zettel habe ich heute in seinem Zimmer gefunden. Gestern ist er in Urlaub gefahren, der Herr Asses– sor. Und nun stellen Sie sich diese Ge– meinheit vor, Herr Rechtsanwalt. In je– der Schublade, gleich ob im Kleider– schrank oder im Schreibtisch, hat er einen solchen Zettel versteckt." Sie schob Dr. Liebchen das ganze Päckchen hin. Und der Rechtsanwalt las sechzehn– mal die Worte: ,,Aber Frau Zirngiebel, wer wird denn so neugierig sein?" (ici) KUNSTSTUBE AM TABOR STEYR, ENNSER STRASSE (NEBEN OBERBANK) TEL. 3001 ANTIQUITIHEN • ALTE BAUERNMOBEL• BIEDERMEIER EXOTISCHE KUNST SEHR SCHONE UND GUNST/GE PERSERTEPPICHE ... was Sie dort finden verschönert Ihr Heim und behält seinen Wert! 41

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