Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1971

Carl Hans Watzinger fOmunb Jftörtler ber „fions Soths" uon · 5teur Kurz nach der Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, es ist am 18 . November 1918 gewesen, starb in Steyr ein Mann, der mit seiner Kunst viden Me11schen Freude und Unterhaltung geboten hatte, Edmund Köstler, der „Hans Sachs" von Steyr, wie ihn J\1usikdirektor Franz X. Bayer, Freund Anton BTUcckners, stets genannt hat. Denn Edmund Köstler war auch Schuhmacher (allerdings sehr zu seinem Schmerze), freilich aber nicht Poet, sondern - Sänger dazu. Bedenkt man jedoch, daß sich die Meister der Meistersinger, denen Hans Sachs als hervorragendes Mitglied angehörte auf seinen Reisen hat er übrigens die Meistersingerschule in Wels , vermutlich aber auch die in Steyr besucht -, als Erfinder eines neuen Reimes ausweisen mußten , dessen Vortrag an eine neue Singweise gebunden war, so gewinnt unser Künstler, der ein Sänger von Gottes Gnaden war, an Beziehung zu dem berühmten Nürnberger Schuhmacher. Edmund Köstler· wurde am 30. Oktober 1861 als Sohn eines Gerbermeisters in Linz geboren. Nach dem frühen Tod seiner Mutter heiratete der Vater wieder, und dieser Ehe entsprossen fünf ' Kinder. Man zog da d.en kleinen Edmund zu den Arbeiten im Haus, vor allem zur Beaufsichtigung der jüngeren Geschwister heran. Sein Wunsch , ebenso wie die älteren Brüder aus der ersten Ehe des Vaters, die noch unter der behütenden liiebe der leiblichen Muitter hera111rewachse11 waren, studieren und dann - einmal den eigenen Neigungen leben zu dürfen , wurde aus diesem Grunde auch nicht erfüllt, er mußte zu ei;,em Schuster in die Lehre. Dabei zog es den Jungen schon bald zur Bühne. I s scheint überhaupt Theaterblut in der Familie geflossen zu sein; einer seiner Erüder war später als Ballettmeister t::itig. Edmund Kös tler aber sdmitzte bereits als Schüler Ma rionetten a4s Holz und führte sie in einem selbst erdachten Spiel vor. Den Eintritt, den er für den Besuch seiner Vorstellungen einhob, teilte er dann mit den jüngeren Geschwistern. Bei solcher Veranlagung ist natürl ich die Schusterlehre mehr eine Qual als eine Freude. Es ist auch zu verstehen, daß die Sehnsucht nach dem Theater, wenn ein Mensch sie im Blute trägt, in doppeltem, ja vielfad, em Maße zunimmt, ai~ die Möglichke/it sd1wind'.et, jemals eine künstlerische Tätigkeit ausüben zu können. So auch bei · Edmund Köstler. Die Militärdienstzeiit leistete er bei der .Arti ll erie ab, trat dann bei der Polizei in Linz ein, blieb aber nur kurze Zeit in diesem Dienst. Inzwischen war er dem „Gutenbergbund" beigetreten, und in einem Konzert dieses Vereins, in dem er als Solist mitwirkte, hörte ihn der zufällig anwesende Redakteur der „Steyrer Zeitung" Josef Grimm. Er vermittelte ei·n „Gastspiel" Köstlers bei einem Konzert des Steyrer Männergesangvereines „Kränzchen", das da1m im Hotel „Zum goldenen Schiff" (heute Grünmarkt 17) stattfand. Dr. Hermann Spängler, der Vo rstand des „Kränzd1ens " , bewog nun den Sänger, den die Natur mit ei11em prachtvollen Baß • bedacht hatte, nadi Steyr zu übersiedeln. Edmm1d Köstler gab dieser Aufforderung nach , un.d in Steyr w;jderfuhr ihm die Genugtuung, wenigstens in größeTem Umfang, we111.1 auch nid1t ganz - anfangs betrieb er, numnehr verheiratet, eine Schusterwerkst:ätte, später war er als Magazineur in der Waffenfabrik angestellt - seiner Kunst leben zu können. In Steyr hat Edmund Köstler zuerst bei dem Männergesangverein „Kränzchen" , da1m bei der „Steyrer Liedertafel " gewirkt. In den denkwürdigen Aufführungen der Oratorien „Die vier Jahreszeiten" von Joseph Haydn., ,,Die Glocke " \'On Max Brud, und „Paradies um:l Per i" von Robert Sd,umann hat er unter

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