Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1971

Rudolf Schmidt Konditorei Cafe „Gewiß nicht. Doch ich habe gute Gesellschaft. Old Tom spielt mir häufi g zum Tanz auf ." „Ach, bitte, wer . . . wer ist Old Tom?" Mr. Holliday hatte das Ge·fühl zu frieren. „Old Tom ist. der Schloßgeist. Um Mitternacht pflegt er mit seinem Dud elsack durchs Haus zu gehen." ,,Sie scherzen, Sir?" „Wenn es Sie interessiert. Old Tom war der erste Lord Pallroy. Er baute dieses Schloß und führte von hier Krieg gegen die Engländer. Hier starb er auch. Seither geht er Nacht für Nacht durch das Schloß und spielt auf dem Dudel - sack. Sein Weg beginnt im Keller, dort, wo früher das Folterverließ gewesen ist, führt durch die Gänge des Hauses hinauf in den Nordturm. Oben , auf den Zinnen des Turms, been<let er sein Spiel. " ,, Und - haben Sie ihn schon gesehen, Sir?" fragte Paul Holliday, wobei ein ironischer Unterton in seiner Stimme mitschwang. ,, Ja, Sir, ich habe ihn gesehen!" antwortete der Lord, und der Frager erkannte, daß dies sein Ernst war. Als Paul Holliday sich später im Gästezimmer des Schlosses befand, war er fest entschlossen, dem Spuk jenes Old Tom auf die Spur zu kommen. Er legte sich nicht ins Bett, sondern setzte sich in einen Sessel und zündete sich eine Zigarette an. Er spürte, daß er müde wurde. Ungeheuer müde. Er mußte doch wach bleiben. Nur jetzt nicht einschlafen! Er versuchte sich zus0ammenzuneh - men. Aber es half nichts. Eine bleiern e 42 „ Steyr - Stadtplatz 1 Tel efo n 25 98 Müd igkeit hatte sich seiner .bemächtigt. Und langsam schlief er ein. ,, Ein Schlafmittel . . .", murmelte er. Er schlief in dieser Nacht sehr unruhig. AJledei w~rre Träume spukten durch seinen Kopf . Er sah einen Dudelsackpfeifer durch einen langen Korridor gehen und von einem hohen Turm über ein weites, fremdarti ges La1d blicken. Dann wa r diese Gestalt verschwunden. Statt dessen sah er eine Hand, die etwas in ein Trinkglas tat. Diese Hand gehörte zu dem Dudelsackpfeifer. Und dann sah er ein Bett, auf dem eine tote Frau lag. In der Hand hielt sie ein Trinkglas. ' Dann abermals der Dudelsackspieler, wieder eine Hand, doch jetzt die eines anderen Mannes , ein Glas , ein Bett-, und auf dem Bett - der Dudelsackpfeifer. ,, Der Giftmord scheint in di eser Familie üblich zu sein", murmelte Paul Holliday im Schlaf. Und immer wieder tauchte jener Musikant auf, und plötzlich, ja, da war es ihm, als ob er ihn spielen hörte. Ganz nah klang es , ganz deutlich .. . Eine Woche später traf Paul Holliday in Edinburgh seinen alten Freund William Winston. Mehr oder weniger zufällig kam das Gespräch auf Mr. HolJidays Erlebnis . „Ich habe neulid1 bei Lord PaUroy übernachtet", sagte er. ,,So, hast du?" sagte Winston. Plötzlich fuhr er hoch. ,, Was hast du gemacht? Bitte, sag das noch mal." „Was ist denn? Warum siehst du mich so komisch an? "

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