gegeben. Man müsse eben Opfer bringen, hatte er gesagt, ohne Opfer sei da nichts zu machen. Seit jener Stunde nun hatte Antonio gegrübelt, was es heiße , daß man Opfer bringen müsse. Er wäre sofort bereit gewesen, eines zu bringen, wenn er nur recht gewußt hätte, wie das zu machen sei. Bis eines Tages die Erkenntnis über ihn gekommen war. Irgendwo hatte er im Gespräch der Großen das Wort Opferlamm gehört, irgendwann, als sie von Ostern sprachen. Und Antonio hatte gedacht, daß es sich dabei doch nur um ein Lamm handeln könne, das man an Ostern opfern müsse. Also beschloß er das Lamm, das er besaß, zu opfern. „Na, schmeckt es dir?" Antonio blickte auf. Ein alter Mann, nur mit Hemd und Hose bekleidet, stand vor ibm, eine lange Stange mit bunten Luftballonen hielt er in der Hand. „Gehst du nicht hinein", fragte der Alte und deutete mit dem Kopf zu den breiten Türen hinüber, die sich dem Strom der Besucher geöffnet hatten. Antonio schüttelte den Kopf . ,;Ich werde warten, bis sie fertig sind", sagte er. „Dann hat", er blickte prüfend zu dem Alten hinüber, ,,dann hat Gott mehr Zeit", sagte er leise. ,,Es ist ein schönes Bild da drinnen " , sagte der Mann jetzt und wisd1te mit der Hand die Tropfen aus dem Bart, ,, irgendein großer Maler hat es gemalt." ,,Was ist denn darauf zu sehen" , w-ollte Antonio wissen. Der Alte zuckte mit den Schultern und blickte aus trüben Augen auf den Knaben. ,,Ich weiß es nicht mehr genau", gab er zurück, ,,es ist schon lange her, daß ich es gesehen habe. Die Augen wollen nicht mehr recht." Antonio nickte und wisch.te die Hand sorgfältig an der Hose sauber. ,, Was hast du denn da?" Der Alte schob den Kopf nach . vorne und blickte auf die Hand des Knaben. „Ein Lamm", erwiderte Antonio und hob den Arm näher zu dem Alten. ,,Ein Lamm?" ,,Ich will es opfern, weil Ostern ist " , sagte Antonio. ,, Hm, ein Lamm." Der Mann streckte die Hand dem Knaben entgegen, Antonio legte das Lamm 34 hinein. ,,Sicher hat es eine rote Schleife" , sagte der Alte und hob das Tier dicht vor die blinzelnden Augen, ,, und ein glänzend weißes Fell." Antonio schwieg. ,,Es ist ein schönes Lamm", lobte der Alte wieder, ,, und natürlich hat es eine Schleife. Hier, siehst du " . er deutete mit dem kleinen Finger auf die -Stelle, an der der Kopf aufgeklebt war. ,,Hier ist die Schleife. Man könnte es übrigens gut verkaufen", sagte er dmm und hielt das Tier prüfend gegen das Licht. Der Alte kicherte und gab das Lamm mit steifem Ann zurück. ,,Wir hatten früher einmal eines, das hatte eine rote Schleife. Und wenn ich eine Brille hätte, würde ich dir beweisen, daß dieses auch eine hat. Und ich würde dir auch a.lles erklären, was man auf den Bildern in der Kirche sieht." ,,Warum hast du denn keine Brille?" fragte Antonio verwundert, ,,kannst du dir keine· kaufen?" ,,Kaufen!" der Alte lachte kurz und stieß mit dem Fuß ärgerlich an die Stange mit den Ballons. „Glaubst du, glaubst du wirklich, daß man es verkaufen könnte", fragte der Knabe stockend. ,, Warum denn njcht", der Alte fuhr mit dem Fingernagel zwischen die Zähne. ,,Simer bekommt man Geld." ,,Weißt dq, wieviel?" ,,Das kommt ganz darauf an, wer es kauft", sagte der Alte. Antonio stand auf. ,, Würdest du dich freuen, wenn du die Bilder in der Kirche wieder sehen könntest", fragte er langsam. Der Alte blinzelte verständnislos . „Natürlich würde im mich freuen", sagte er achselzuckend, ,,das habe ich dir dom gesagt." Antonio preßte das Lamm gegen das Gesicht und sd1loß die Augen . . ,,Natürlich wiirde im mich freuen", hörte er die Stimme des Alten, .,das habe ich dir dod1 gesagt. " Antonio bli eb stehen, wandte sich um und lief mit großen Schritten zu dem Mann zurück. ,,Im schenke es dir", sagte er und legte das Lamm dem verdutzten Alten in den Sd1oß. ,,Du mußt es verkaufen und dir von dem Geld eine Brille holen. Damit du die Bilder in der Kirche wieder ansdrnuen kannst. Ich schenke es dir, weil O,tern ist. "
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