Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1970

1)er C5c[Jmetterling Erzäl1lung von Franz Braumann Als die letzten Häuser der Stadt zuriickblieben, ließ Heinrich Borg, Vertreter in Schreibmaschinen , den Wagen laufen. Er pfiff leise vor sich hin , doch aus der steten Wiederholung des gleichen Motivs ließ sich unschwer erkennen, daß seine Gedanken andeTswo wei lten als bei der Melodie. Die Sonne fiel wa rm durchs Wagenfenster, eine sommersaltte Samstagsonne. Wider Willen war auch der Vertreter Borg zu einem arbeitsfreien Samstag gekommen, seit die Büros und Unternehmungen schon am Freitag Wochenende machten. Borg unterbrach sein Pfeifen und verzog das Gesicht. Freier Tag - wenn man die Werbefahrt heute nicht als Arbeit rechnete. Werbefahrt mit Helga Steiner, haha ! Sie war die Chefsekretärin bei Heine, Hoch- und Tiefbau, und wolrntie immer noch draußen in dem kleinen Markt hinter dem Waldberg bei ihrer Mutter. Borg hatte sie kennengelernt, als sie sich für den Ankauf einer neuen Schreibmaschine im Büro einsetzte. Vor zwei Tagen war Borg routinemäßig wieder bei Heine aufgekreuzt . ,, Sicher wieder eine Schreibmaschine unbrauchbar!" hatte er Helga Steiuer läd1 elnd und ein wenig unternehmend begrüßt. Die Sekretärin blickte aus dem Fenster auf die Straße hinaus. ,, Sie fahren einen neuen Wag-en - schönes Modell?" fragte sie statt einer Antwort. Heinrich Borg horchte auf. Das Geschäft, das Geschäft! Heine, Hoch- und Tiefbau, hatte mindestens zwanzig Schreibmaschinen im ganzen Betrieb! „Eine kleine Wochenendfahrt in der Samstagsonne - was würden Sie dazu sagen, Fräulein Steiner?" Sie blickte ihn von der Seite an. ,,Sie wollten eigentlich von Schreibmaschinen sprechen!" Wie bedauernd spielte sie mit einem Stift. Jeden Tag mit dem Zug hin- und herperrdeln, mo rg-ens in die Stadt, abends zurück - wen lockte da nicht das Angebot einer Autofahrt? „Ich denke, das kleine Vergnügen dürften Sie sid1 gönnen , Fräul ein Stei11 er ! Über Schreibmaschinen sprechen wir ein andermal. Ich hole Sie ab und btinge Sie wieder heim - am nächsten Samstag! " Der Motor lief leise summend. Ein schönes Modell - ni emand merkte es dem leud1tend roten Cabriolett an, daß die Raten dafür erst angelaufen waren. Aber seit Borg den Leihwagen der Firma durch seinen eigenen ersetzt hatte, stieg aud1 die Verkaufsziffer der Schreibmasdlinen. Borgs Chancen stiegen - auch seine Unternehmungsfreude! Das Lihlte er eben heute. Helga Steiner war immerhin Chefsekretärin bei Heine, Hoch- und Tiefbau! Die Wiesen blickten verlockend geib, rot urnd blau. Irgendwo auf dem Wiesenrand zu sitzen - in lerichter, sorgloser Unterhaltung - im Hintergrund winkte ein Dauerauftrag! Vielleicht - wahrscheilich - ach, ziemlich sicher! Heute am Morg-en hatte Ina, seine Frau, ihn verwundert gefragt: ,,Du fährst auch heute fort , Heinrich?" „Ach, es muß sein, Ing-a!" Er machte eine wegwerfende Handbewegung. ,,Es geht um einen Auftrag bei Heine, Hoch- und Tiefbau vielleidit ein Dauerauftrag!" Die kleine Küche hatte nach Waschpulver und Windelwäsche gedämpft. Seit das zweite Baby angerückt war, waren die Samstage daheim nicht immer gerade gemütlich. lna schien nur eine Sorge zu kennen: ob sie auch täglich für das Baby genug Milch hatte! Die Wiesen blühten immer noch verlockend gelb, rot und blau. 35

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