sagte die Mutter einmal zu mir? ,,Kind, wir haben auch unsere Toten verloren." Doch gerade dieses Wort war es, das mich nach Haid getrieben hatte. Für mich, für alle, die noch jul1lg sind und die von den Schatten der Vergangenheit loskommen wollen, sieht manches anders aus. Sei es wie immer, ich wollte mit eürenen Augen sehen, was vom Grab meines Vaters noch zu finden war. Auf dem Hügel, hoch über dem Dorf, liegt die kleine Kirche, ringsum das alte Gemäuer - der Friedhof - ich war allein. Ja, an den riesigen, glatt gescheuerten Granitblock, der vor dem Eingang zum Friedhof liegt, konnte ich mich noch genau erinnern, auch an das alte, eiserne, seltsam verschnörkelte Tor. Wir Kinder hatten uns immer an das Gitter gehängt und dann mit dem Fuß das Tor aufgestoßen, mn damit in die Welt zu fahren, in die große Welt! Auf der FaJ1rt hierher hatte id1 mir Werkzeug beschafft, eine kurzstielige Haue, eine kleine Schaufel, um das Grab, wenn es noch zu finden war, von Unkraut frei zu mad1en und wieder instand zu setzen. Das Grab des Vaters - ich wußte ganz genau, wo es lag, dorrt drüben hart an der Mauer. Ueber den weichen Rasen schritt ich zur Mauer hin. Da stand ich und erschrak, ja id1 er-- sd1rak vor Freude. Das Grab war da . Und nicht nur das , es war gut in Ordnung gehalten. ,, Peter Eggert, Lehrer und Schulleiter in Haid." Die Insch'rift auf dem Grabstein war deutlich zu lesen. Steine umgrenzten das schmale Geviert. Auf dem GrabhügeI selbst aber waren Nelken in di e dunkle Erde gepflanzt worden, zierliche, rote Nelken. Blumen vo n fremder Hand - so war es. Es ließ sich nicht anders denken, denn es gab niemanden weitum, der Vater noch gekannt hätte, aud1 niemanden, der ahnen konnte, daß jemals Angehörige dieses Mannes sein Grab - besuchen würden. Ich wollte in das Dorf hinabgehen,. um dort zu fragen, wem ich diese unerwartete Tat zu verdanken hätte. Vielleicht ließ sich mit diesen Leuten dann eine Abmachung über die künftig;e Pflege des Grabes treffen. Doch dann besann ich mich anders .. Was hier getan wurde, geschah aus eigenem Antrieb. Das galt mehr, als geschähe es in bezahltem Auftrage. Außerdem entsprad1 die Pflege dieses fremden Grabes keineswegs dem, was sonst in diesem Lande üblich war, ganz abgesehen davon, daß es sich um eine Sache handelte, die nichts eintrug, die höchstens Aerger einbringen konnte, nid1t nur jenen, die das Grab pflegten , auch den Dorfbewohnern allen, die dies gelten ließen. Id1 durfte diese Leute nicht durch mein Auftreten in Gefahr bringen. Für 1nich aber bedeutete dies noch viel mehr. Ich wußte zu gu t, wie die Mutter über die Kuban.yleute dadite. Ich hatte selbst genau so über sie gedacht. Jetzt aber war es anders; denn ich konnte jedem von ihnen diese Tat zutrauen. Vielleicht war es Scrubec, der Lehrer, oder dessen Frau, vielleid1t der Leiter des Konsumgeschäftes Pihlov. Tch wußte ja nicht, wer es war, ach sie waren es alle ! „Blumen aus fremder Hand du wi rs t es mir nicht glauben, Mutter. Aber ich werde dir die Aufnahmen zeigen, die id1 vom Grab des Vaters gemacht habe. Du wirst dich darüber fr euen. Doch mehr noch sollst du dich freuen, daß es auch drüben noch Menschen gibt, die wir gel ten lassen sollten, Menschen, di e wir verstehen kö nnen". 2x FOTOHAUS THEM 4400 Steyr, Bahnhofstral'Je 7 - Telefon 2 81 OS Filiale: Münichholz, Klarstral'Je S - Tel. 2 84 SS 53
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