Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1969

tßlrtn UrgroQuatrr tßli((Jafl Erzii'1/t von Carl Hans Watzi11ger Ich war ein Bub im Alter von zehn Jahren. Damals hat mir mein Vater schon vom Urgroßvater Michael erzählt. Es war etwas Feierliches in seiner Stimme, wenn er so sprach, und ich sah dann immer den alten Mann wie leibhaftig vor mit'. Seit dieser Zeit sind mehr als vierzig Jahre vergangen. Mein Vater hat bis an seinen Tod nicht aufgehört, vom Ahn Michael zu erzählen, und nun denke ich, je älter ich werde, desto öfter an ihn, ohne daß mich jemand an ihn malmte. Aberr das ist nicht von ungefähr . Die Kindheits- und Jugendeindrücke wachsen mit den Jahren, und man versteht das Alter auch erst, wenn man selber in die Jahre kommt. So ist mir Urgroßvater Michael lieb und teuer geworden, ja, ich denke er verdient jedermanns Liebe; denn er war gut. Nun will ich von ihrn reden, wie es mich gerade anfällt. Am 18. September 1817 hat ihn die Anna Waizinger, geborene Seywald aus Enns, im kleinen Haus zu Altenhofen bei St. Valentin im Niederösterreichischen zur Welt gebracht. Gewiß, damals schrieb man unsern Namen nicht wie heute. Vielleicht paßte die heutige Schreibweise einmal einem Taufenden nicht, er liebte vielleicht den Zwielaut und mochte den ersten Vokal unserer Muttersprache nicht leiden, gar wenn ihm ein Zischer folgte, der nod1 dazu verstärkt war. Wer vennag das jetzt nod1 zu sagen? Man weiß auch , beispi elsweise aus dem Französischen, daß es im Wandel der Sprachen so manche .A uslassungen von Vokalen und nicht sdestoweniger Konsonanten gegeben hat, die ei nen Einschub anderer Buchstaben und Zeichen nach sich zogen. Ja, der Taufende schrieb Waizinger in das Taufbuch, und niemand wehrte es ihm. Und Midiael wurde auch mit diesem Namen, den schon seine Tochter nicht mehr trug, ein richtiger Mann. Seht, der Name allein macht beim Menschen nid1ts auö . Mein Ahn Michael wuchs heran, und als er vierzehn Jahre alt war, kam er zu einem Bauern, die Arbeiten auf Hof und Feld zu lernen, und er wurde stark dabei und liebte die Erde. Aber es trieb ihn auch zu wandern. Di~ Heimat seiner Vorfahren, das Land ob der Enns, wie cs früher hieß, lockte ihn, und er ging dahin. Vorher mag er wohl o.ft über die Grenzen gesehen haben. Sie lag nahe dem Ort seiner Geburt, und so ist es auch heute. Der Ennsfluß bildet sie und drüben im Oberösterreichischen erhebt sich die alte Stadt Enns mit ihrem prächtigen Renaissanceturm und den Ringmauern, die beinahe schon ein Jahrtausend überdauert haben. Nach dieser kleinen, ehnvürdigen Stadt zog es den Michael Waizinger, und er verdingte sich in der Gegend, die reich ist an dunkler Erde, als Knecht; er mähte den saftigen Klee im Mai und danach die Wiesen, die süßes Gras geben, wie die Tiere es gern mögen, und er sichelte Korn und Weizen, da sie gelb und golden im Sommer stai1den und der Wind lange W eilen darein schlug, ja, er sichelte in der Hitze und trank zuweilen ein Gläschen Schnaps zum Wasser; denn Schnaps ist gegen Hitze gut. Und Gott lohnte ihm seinen Fleiß; er gab ihm die Kathar,\na Stetininger zur Frau , die ebenso wie seine Mutter aus Enns stammte und dort die Tochter ei nes angesehenen Eürgerhauses war. Er heiratete in der Mitte des Juli 1838 zu E,ms und zog_ dann wieder nach Altenhofen, das kleine Haus des Vaters zu übernehmen. Hier lebte er mit seinem Weibe friedlich, und die Monate und Jahre nahmen ihren Lauf. Es starben sein Vater Georg und seine Mutter, die Seywaldin , und die Frau schenkte ihm 49

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