c!filanhrrnilr lftird}rn Kirchenbausagen aus der Umgebung Steyrs Gesammelt von Franz Harrer Unter einer Wanderkirche versteht man eine solche Kirche, die ursprünglich an einem hiefür bestimmten Platz hätte erbaut werden sollen, das Baumaterial aber, das man schon dorthin gebracht, immer, wie es heißt, auf unerklärliche und geheimnisvolle Weise, meistens des Nachts, dahin gebracht wurde, wo man sie schließlich erbaute und wo sie heute steht. An der Stelle aber, wo man die Kirche zuerst erbauen wollte, findet man fast immer einen alten Bildstock, eine steinerne Kreuzsäule, ein Holzkreuz, eine alte Kapelle, ein Schauerkreuz oder einen großen Baum, meistens eine Linde, mit Heiligenbildern behangen. Der Kirchenbausagen gibt es viele im deutschen Sprachraum; sie gehen weit zurück in die Christianisierungszeit. Di.e Leute konnten sich oft nicht einigen, wohin sie die Kirche bauen sollten; die einen wollten sie dahin haben, die anderen wieder anderswohin. Auch lebten noch viele Anhänger des alten Götterglaubens unter ihnen. Viel Land war damals noch nid1t kultiviert. Was mag sich da abgespielt haben, bis die Kirche auf dem richtigen Platze stand. Vier dieser Wanderkirchensagen aus der Umgebung Steyrs, die in mythologischer Hinsicht bedeutungsvoll sind, sollen hier erwähnt werden. iBir ffiird)r oon mr dJadJ Zweiunddreiviertel Stunden von Steyr entfernt liegt auf dem höchsten Punkt eines langgezogenen, zum Teil bewaldeten Höhenrückens, der bis zu 640 Meter ansteigt, das stattliche Bauernhaus Hochhub. Es liegt am Rande einer ziemlich großen, runden, ebenen und schier baumlosen Hochfläche mit einem herrlidien Rundblick auf die Berge des Enns- und Steyrtales. Nahe dem Hause steht ein mäditiger Lindenbaum. Mitten im runden Wiesengrunde liegt ein mit Buschwerk umsäumter Weiher mit quellfrisd1em Wasser. Neben diesem Wasserbome, im Sommer von Wiesenblumen umblüht, steht ein hohes Holzkreuz mit zwei Querbalken. An diesem Kreuz sieht man, schön ins Holz der Balken geschnitzt, fünf Sechssterne, uralte Symbole, den Jesusnamen und die Jahreszahl 1699. Die Leute nennen das Kreuz „Wetter-", ,,Hagel-" oder audi ,, Sdiauerkreuz"; es ist mit seiner Vorderseite gegen Osten gerichtet, der aufgehenden Sonne zu. Schauerkreuze stehen immer auf Anhöhen, von wo man mndum in die Feme sieht und wo meistens drei Grenzmarken zusammenstoßen, was hier der Fall ist, und zwar die Grenzen der Bauernhäuser Hodihub, Eichner und Tampelleiten. Alljährlich am Dreifaltigkeitssonntag nad1mittag kommen bei diesem Kreuz 200 bis 300 Leute aus der Umgebung zusammen und verriditen unter freiem Himmel laut Gebete, was sie „Schauerbeten" nennen. Vorbeter ist gewöhnlidi ein Bauer. Unwillkürlidi denkt man da an des alten Römers Cornelius Tacitus' ,, Germania" , Kapitel 9 . Und hier auf diesem Platze, so meldet eine uralte Sage, sollte vor vielen hundert Jahren die Kirdie von Asdiach erbaut werden. Das Baumaterial, das man einigemale auf den Berg geschafft hatte, fand sich am Morgen immer weit draußen auf der um 220 Meter niedrigeren Hochflädie. Man sah darin ein Zeichen des Himmels und erbaute dann die Kirche dort. Die Kirdie von Aschach ist dem Reiterheiligen Martin geweiht. Auf dem Hange, der sich vom Hodihubberge nordwärts niedersenkt ins Tal, 65
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