Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1968

;Das alte Qesicht Marie Scuedlberger-Durnwalder Durch Gassen und Gäßchen wan- <lernd, grüßen dich Häuser und Häuscheni, spitzgiebelig und kleiinhuschelig. .Du kommst dir vor, als wärst du plötzlich in das Riesenspielzeug hineingesetzt. Das einzig schreitende Lebewesen, das schauen und träumen kann. Da spred1en die Häuser im Schweigen von Einst und ihrer Zeit. Alt sind sie, wohl sehr alt, man sieht es an ihrem Gesicht. Das Erleben, die Stunden der Not und Gefahr haben sidi eingekerbt in Jahrzehnten. Es gibt sehr alte darunter, die nur in Jahrhunderten rechnen. Grau und faltig ist ihr Gesicht und alle Krankheiten haben sich eingenistet. Dodi sie leben und leben gerne. Die Sonne kommt auch zu ihnen und wärmt und streidielt ihren starren Rücken. 60 BACKEREI Hans Schwarz STEYR KIRCHENGAss:E 8 Fernruf 30 36 Da schlägt die alte Tunnuhr eine gesd1äftige Stunde. Menschen kommen und Leben zieht durdi die verträumte, stille Stadt. Hast und Eile drängen und dein Blick gleitet von den Häusern ab. Wieviel Grämlidies, wieviel jung Gealtertes siehst du unter den Mensd1en. Gesichter, die nicht von den Jahren allein, die von Trägheit und Hoffnungslosigkeit gezeichnet sind. Ohne Licht, ohne Geist dämmern sie dahin, ohne Erinnerung an das Sdiöne, das einmal war. Denn, in jedem Leben gibt es Lidit und Sonne, mag es noch so klein und selten gewesen sein. Das zu wissen, dieses Leuditen aufstrahlen zu lassen, madit das Leben, das Alter, lebenswert. Eine enge, graue Stiege führt zur Höhe. Gitter und Staub sieht man auf den ersten Blick, doch audi einen Ausblick! Ein Garten, ein Gärtchen, eingekeilt und geschachtelt. Ein Stück Natur, das sidi der Mensch in seine Enge gepflanzt hat . Grün u. Blumen auf kleinem Raum. Id1 sehe keine Gitter mehr, kein Grau und keinen Staub der Verwahrlosung. Zwei Menschen gehen den Weg herunter, an mir vorbei. Ein Mann und eine Frau. Beide sind alt und gehören zu den Armen der Stadt. Alles an ihnen spricht eine klare, saubere Sprache. In ihren Gesichtern, in den Falten, hat sich etwas eingenistet, was nicht altert, nidit vergeht. Ein kleinwenig Frohsinn, ein Hang zur Schelmerei. Vielleicht sdion mehr zu Güte und Weisheit geworden, die fesselt und das Herz beglückt. Nicht die Jahre, nidit die Falten lassen die Menschoo so alt ersdieinen, nur das Tote, daß sie, ohne es zu wissen, in sich tragen. Häuser ohne Sonne und Leben wirken tot und uralt; so die Gesiditer ohne Licht und Sdiatten. Darum grüßen wir alle Gesichter, jung oder ailt, die ein Enkichen LidiJ, ·ein' Stäubdien Sonne, stetig für sich bewahren.

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