Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1968

zu bedenken - das finanzielle Motiv, die Meinungsverschiedenheiten, zuletzt der Streit, den Nachbarsleute gehört hatten . . . Auch Angelas Onkel schien zu denken: ,,Ganz sicher kann man ja doch nie wissen . . .", und das junge Mädchen litt sehr darunter. Wie eine Erlösung kam endlich der Obduktionsbefund. Er lautete eindeutig auf Herzlähmung. Keinerlei fremdes Verschulden. Fritz Kormann konnte wieder aufatmen. Doch Angela erholte sich nicht so schnell von dem Schock. Sie machte ihrem Verlobten keinen Vo,rwurf, gewiß nicht, sie hatte ihn auch niemals eines Verbrechens für fähig gehalten. Aber es gelang ihr nicht, eine Stimme in ihrem Inneren zu übertönen, die ihr immer wieder zuflüsterte: ,, Vielleicht hätte die alte Frau noch gar nicht sterben müssen . . . vielleicht waren es Angst und Aufregung, die sie getötet haben ... vielleicht hätte man müssen rücksichtsvoller gegen sie sein ... vielleicht wäre sie noch zu retten gewesen, wenn man sich mehr um sie bekümmert und rechtzeitig einen Arzt geholt hätte . . . oder hatte man einen solchen Ausgang, dessen unbestreitbarer Nutznießer man letzten Endes war, etwa gar im Unterbewußtsein herbeigewünscht? Angela konnte über das schreckliche Geschehen einfach nicht hinwegkommen. Es schauderte sie vor dem Gedanken, in das Haus einzuziehen, das nun so unerwartet rasch zu ihrer alleinigen Verfügung stand. Wenn Fritz auf die Hochzeit drängte, so bat sie ihn, noch ein wenig Geduld zu haben. Er zuckte die Achseln und - hatte Geduld. Aber innerlich war er verletzt. Fast unmerklich trat allmählich eine Entfremdung zwischen ihm und Angela ein. Und so kam es, daß Fritz Kormann zwei Jahre später eine andere heiratete. Eine mit einem nicht so überempfindlichen Gewissen, eine äußerst tüchtige Frau übrigens, die sehr stolz auf ihr schönes, gepflegtes Heim war. Angela Bergner hingegen ist zur Verwunderung der Leute, die sie nicht näher kennen, eine alleinstehende Frau geblieben. Erzählung von Franz Braumann i0t15 5ptf( in ber ~a~nad)t Am späten Nachmittag ließ der Schneesturm nach. Gewaltige Massen Schnee hatte er in das kleine Bergtal geschüttet, und die flachen Häuser des Kirchdorfs kauerten wie erdrückt um den schlanken Turm der Kirch.e. Der junge Lehrer dieses Einöddorfes schritt in seinem schmalen Zimmer im oberen Stockwerk des Dorfgasthauses auf und ab. Ihm lag noch ein Wort im Ohr, dessen unfreiwilliger Zuhörer er unten im dunklen Flur des Gasthauses geworden war: ,,Schade um den Lehrer - daß er auch nichts Besseres weiß!" Lehrer Klaus war auf der oberen Stufe der Stiege stehengeblieben. Unwillkürlich hatte er den Atem angehalten und gelauscht. ,, - Und sogar erst vor Mitternacht!" verstand er noch aus dem halblauten Gespräch. Dann hatten sich die Schritte vor das Haus hinaus entfernt. Klaus hatte sogleich den Zusammenhang erfaßt! Es ging um das Fastnachtspiel, das er mit der tanz- und spielfrohen Dorfjugend eingeübt hatte. Das Spiel war derb und nahm es mit der Wahl der Wor te nicht so genau. Und manches übereinkommen kam nicht gut dabei weg. Klaus hatte es in einem Vorstadttheater gesehen, und als er den Inhalt erzählt hatte, da waren die Dorfburschen sofort Feuer und Flamme gewesen ... Der Lehrer hatte einen Augenblick später durch die Haustür den zwei Männern nachgeblickt, die sich nun entfernten - dort schritten der Pfarrer und der Berghofer, ein Bauer, dessen Vor53

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