Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1967

dem zerstörten Europa ausgewandert sei, daß er in Chicago eine Getränkefabrik habe und daß er sich ietzt die alte Heima,t ansehen wolle. „Und warum haben Sie mich zur Wache bringen lassen?" fragte er zum Schluß. „Ja, das ist so . . . Eigentlich liegt nichts gegen Sie vor", antwortete der Hauptmann unsicher. ,, Dann kann ich also gehen?" „Nein, nicht so schnell. Ich wollte Sie bitten, heute nacht bei uns zu bleiben. Wir haben einen gemütlichen Raum, leider vergittert, aber sonst recht angenehm." ,,Verhaften wollen Sie mich?" „Um Himmels willen, wer hat etwas von verhaften gesagt?" „Ich lasse mich nicht einsperren, ohne den Grund zu wissen", brauste Miller auf. ,,Ich kann es Ihnen heute nicht sagen, vielleicht sprechen wir später darüber." „Und wenn ich darauf bestehe, daß Sie mich freilassen!?" ,,Dann werde ich Sie nicht freilassen!" ,,Also doch verhaften." Ectward Miller fing an, die Sache von der lustigen Seite zu betrachten. Diese Europäer waren doch verrückte Leute! Vielleicht soflte er den $paß für eine Nacht mitmachen. Es war jetzt später Abend, unter Umständen bekam er in der Stadt kein Zimmer mehr. Da war die Unterkunft bei der Polizei eine zwar ungewöhnliche, aber vielleicht doch ganz angenehme Art der Übernachtung. Am Morgen des nächsten Tages bekam er das Frühstück, ein sehr gutes Frühstück, und sonst tat sich nichts. Der Mann, der ihm das Essen brachte, behauptete, er habe nur einen niedrigen Dienstrang und sei für diese Sache nicht zuständig. Miller verlangte den Hauptmann zu sprechen, aber der hatte ein paar Tage Urlaub genommen. Er wollte dem Wachtmeister vorgeführt werden, der ihn im Hafen empfangen hatte, doch angeblich war dieser unglückliche Mensch ::m Grippe erkrankt. ,, Zum Teufel, dann geben Sie mir den ranghöchsten Offizier, den Sie gerade da haben!" schrie Miller. Der Beamte versprad1 es. Als er Miller das Mittagessen brachte, bestätigte 34 · er, der Offizier werd e bald kommen. Aber er kam nicht. Er kam aud1 nicht am nächsten Tag. Und so ging es weiter. Bis Miller schließlich den amerikanisd1en Konsul verlangte. Er wollte doch mal sehen, ob man einen Bürger der Vereinigten Staaten mir nichts dir nichts in Haft nehmen konnte! Aber sta.tt des Konsuls erschien Hauptmann Christen. Er lächelte, als er den Raum betrat, und legte Miller eine Zeitung auf den Tisch, in der eine Notiz dick unterstrichen war: „Gestern wurde auf dem Amsterdamer Flughafen Edward Miller aus Chica.go beim Verlassen einer Maschine von zwei unbekannten Männern erscliossen. Miller soll einem Gangsterring angehört haben, der sich mit dem Schmuggel von Diamanten aus Europa in die USA befaßte. Die Polizei vermutet, daß Miller von seinen eigenen Komplizen erschossen wurde." ,,Was soll das? " fragte Miller. ,,Das bedeutet, daß Sie Ihre Urlaubsreise fortsetzen können", antwortete Christen lächelnd. ,,Haben Sie mich tatsächlich mit diesem Gangster verwechselt?" Christen sd1üttelte den Kopf. „Wir wußten genau, daß Sie mit der Sache nichts zu tun haben. Leider wußten das die Mittelsmänner der Bande in Europa nicht. Sie hatten den Auftrag, Edward Miller zu erschießen, weil er der Bande zu gefährlich wurde. Aber sie befanden sich auf der falschen Fährte, nämlich auf der Ihren. " Miller wurde blaß. „Dann haben Sie mir gewissermaßen das Leben gerettet." ,, Wir mußten Sie so lange festhalten , bis die Gangster merkten, daß sie die falsch e Spur verfolgten. Hätten wir Sie freigelassen, dann wären uns vielleicht die Schmuggler in die Hände gefallen, aber Sie, Mister Miller, hätten es mit dem Leben bezahlt." Miller wisd1te sid1 den Sd1weiß von der Stirn und starrte auf die Zeitung. „Man sollte sicli tatsächlim einen anderen Namen zulegen", sagte er nach einer Weile lachend. ,,Wie wäre es mit Eduard Müller, Chicag-o?"

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2