Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1966

Manfred Brandl Die gotische Bürgerspitalskirche in Steyr Die Baugeschichte des Spitals und der dazugehörigen Kirche, eines organisch gewachsenen Gebäudekomplexes, ist urkundlich mangelhaft belegt. Die Urkunden zu Stiftungen des 14. und 15. Jahrhunderts, die aus jener Zeit die einzige di¬ rekte Quelle für das Bürgerspital darstellen, liefern der Baugeschichte spärliche Hinweise. Preuenhuebers Annalent) und Aktenmaterial für die Zeit seit dem 16. Jahrhundert im Stadtarchiv Steyr?) sind weitere Quellen; letzteres berührt die finanzielle Seite der Stiftung. Die Lage dieses Gebäudekomplexes, den man sich aus dem Stadtbild von Steyr nicht hinwegdenken kann, darf uns zu einigen Gedanken anregen. Sehr zen¬ tral gelegen, befindet sich das Bürgerspital flußaufwärts neben der Steyrbrücke und somit unweit der Einmündung der Steyr in die Enns. Gegenüber, am ande¬ ren Ufer, auf dem Schloßberg, liegt die alte Burg und unterhalb derselben, in der Enge, die um 985, 1082 und etwa 1170 urkundlich erwähnte Burgsiedlung. Es ist anzunehmen, daß der Brückenkopf „Innersteyrdorf“ kaum jünger als die Siedlung im Bereiche der Enge ist und somit das Gelände des Bürgerspitals ältesten Sied¬ lungsboden im Stadtbereich darstellt. Die Sage erzählt uns von einer Römer¬ schmiede unterhalb der Steyrbrücke,s) und wenn man auch diesen Römersagen keinen Glauben schenken darf, klingt doch darin die Erinnerung an eine uralte Stätte gewerblichen Fleißes nach. Um 1262 wird eine Mühle an derselben Stelle etwa erwähnt, die Spitalmühle.4) Wenn wir die Lage berücksichtigen, so dünkt es wahrscheinlich, daß das Spi¬ stira“ tal frühen Ursprungs ist. Auch die unzweifelhafte Bedeutung der „urb unter den steirischen Otakaren gestattet die Annahme, daß schon früh eine karita¬ tive Einrichtung existierte. Tatsächlich bestand für arme, alte oder kranke Bürger schon im 12. Jahrhundert eine Fürsorgeanstalt, das Spital.5) Eine Stiftung zu an demselben durch Wezilo de Styre wird um 1180 erwähnt; dieser schenkte ein der Stelle des Bürgerspitals gelegenes Haus den Johannitern, die ursprünglich das Spital betreut haben sollen.6) Man darf das Steyrer Bürgerspital zu den ältesten Stiftungen dieser Art in Österreich zählen. Nichts hilft uns, die älteste Baugeschichte zu erschließen und wir könnten bloß müßige Spekulationen anstellen. Das eigentliche Spitalsgebäude steht auf einer kleinen Anhöhe neben dem Steyrfluß, von deren Scheitel die Badgasse und das letzte Stückchen der Kirchengasse hinunterführen. Es steht steil, aber nicht nennens¬ wert hoch über dem Fluß. Flußseitig reicht das Bauwerk tiefer in den Boden als nordseitig; im Keller tritt der Konglomeratgrund zutage. Die Baugruppe war und ist eingezwängt zwischen dem Fluß einerseits sowie der Kirchengasse (Spitalberg) und der Badgasse andererseits. Unzweifelhaft romanische Reste sind im Bürgerspital nicht nachweisbar. Wir haben in ganz Steyr keinen nachweislich romanischen Rest erhalten. Aber lange wurden Säulen und Gewölbe der Eingangshalle des Spitals als romanisch sehen. Noch Riewel beschreibt 1868 ausführlich die „romanischen Säu¬ ange 1) Preuenhueber, Valentin: Annales Styrenses, Nürnberg 1740. 2) Stadtarchiv Steyr, K. III, Lade 20, 21. 3 Rolleder, Anton: Heimatkunde von Steyr, Steyr 1894, p. 186. 4) Rolleder a. a. O. p. 183 Ofner, Josef: Die Eisenstadt Steyr, Steyr 1956, p. 21. 9 Oö. Urkb. Bd. I, S. 179; Rolleder a. a. O. p. 183. 91

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