gedrängt über 100 Flüchtlinge und die „bösten sachen der Wiener Stadtkomman¬ danten Starhemberg und Thaun (Daun?)“ sowie Gepäck der Herren Khunniz und Kriechbaum. Für den Augenblick war die Flüchtlingsgruppe dem unmittel¬ baren Zugriff der Türken entzogen, doch die Gefahr rückte näher. In der Nacht wurde Alarm gegeben, da sich streifende Feindesscharen Nußdorf näherten. Die verzweifelten Flüchtlinge konnten überdies in der Nacht die in Flammen stehenden Vororte Wiens beobachten. Da das eine Zugpferd nur bis Nußdorf gemietet wor¬ wil¬ den war, versuchte Schinnerer „umb gottes und umb der 5 wundten (Christi) len“ ein Ersatzroß zu kaufen, damit er weiter könne. Dies gelang und die Zillen konnten bis Klosterneuburg weiterfahren. Hier war inzwischen Schinnerers Sohn Gottlieb angekommen, der Frau und Kind „auf die fuehr“ gab. Auch in Kloster¬ neuburg fand Schinnerer keines der versprochenen Zugpferde aus Steyr vor, aber ein ihm bekannter Vorreiter stellte ihm sechs „schöffroß“ zur Verfügung. Mit die¬ sen ging die Fahrt weiter nach Greifenstein, wo in einer Au übernachtet wurde. In unmittelbarer Nähe dieses Platzes zeigten sich ebenfalls Tartaren und „bren¬ nerisches gsindl“. Als am nächsten Tage die Schiffe am linken Donauufer weiter¬ geschleppt wurden, traf man schon nach einer halben Meile Weges auf Landleute, die vor den sie verfolgenden Feinden flüchteten. Vielen Personen gelang es, ich mit Wasserfahrzeugen ans rechte Donauufer in Sicherheit zu bringen, so auch dem Bürgermeister mit seinen zwei Zillen. Allerdings mußten vier Zugpferde in Stich gelassen werden und auch „zway Khnechte, deren ainem gleich der kopf weegge¬ schmissen wurde". Der andere versteckte sich in den Donauauen. Am rechten Ufer, das von eigenen Soldaten besetzt war, „welche nicht beßer als der feindt haußeten“ gab es keinen Treppelweg. Um nun weiter zu kommen, sah man sich genötigt, einen provisorischen Schiffsweg herzurichten. Überall in den Donauauen konnten viele tausend Menschen beobachtet werden, die sich aus Angst dort versteckten. Nach verschiedenen weiteren Ungelegenheiten erreichte Gregor Schinnerer am frühen Morgen des 19. Juli die Stadt Enns, wo er den dort anwesenden landes¬ ürstlichen Kommissaren über die Lage berichtete und sie bat, „zu des Landts sicher¬ heit den Enußstramb (Ennsstrom) zuverwahren, weillen der feindt (die feind¬ lichen Streifscharen) nur mehr 2 stundt von dannen .. .. Noch am gleichen Tage ritt der Bürgermeister nach Steyr, wo er „die burger¬ schafft flichtig und lamentierlich allenthalben ansechen miessen.“ Er fand „bey der statt alles in confusion“ vor und hatte in der folgenden Zeit „vast tag und nacht khaine ruhe gehabt ...“. Dem Kammergrafen berichtete Schinnerer am 2. August u. a.: „Das edle schene landt ist von Raab auß gegen Odenburg biß herauf gegen Ambstetten sowohl auf der ebne alß auf dem gebürg alles versengt und verbrendt außer nachvolgenter orth, so sich mit wenigen schiessen erhalten, nemblich Greiffenstain, Tulln, Herzog¬ burg. Trasmaur, Hollenburg, Sallaburg, Mölkh, St. Pölten, Ybbs, Plindemarkht, Ambstetten, Scheibbs „* Vill mehl und getraidt, vill 1000 mentschen erbärmlich nidergehauet, .. außer was in denen auen (Donauauen) verterben und sterben müessen, welcher schaden mit vill millionen nit zu ersezen .... Als Zeichen der sich dem Lande nähernden Gefahr war während der Abwe¬ senheit Schinnerers ein Auftrag des Landeshauptmannes vom 9. Juli zu werten, dem der Bestand an wehrfähigen Männern und die Vorräte an Geschützen, Ge¬ wehren und Munition zu melden waren. Außerdem wurde dem Magistrate mitge¬ teilt, daß fünf Kompanien württembergischen Fußvolkes in die Stadt gelegt wür¬ den, die Ennsbrücken „verwahrt“ werden müßten, und außer den Angehörigen des kaiserlichen Hofes, niemand in die Stadt eingelassen werden sollte.53) In einer der folgenden Ratssitzungen, in denen für den abwesenden Bürgermeister Stadt¬ richter Derfflmair präsidierte, wurde beschlossen, durch das Steueramt einen 53) RP 1683, 102. 82
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