Anton Bruckner und das Burgverließ von Altpernstein Erzählt von Josef Reisinger Einst, in den Achtzigerjahren, stattete sind schrecklich, etwa einen Meter lang, unser Tonkünstler Anton Bruckner mit einen halben Meter breit und kaum so seinem Freund, dem Lehrer Josef Greck hoch, daß darin ein Mann aufrecht aus Linz, der ehemaligen Raubritterburg sitzen konnte. Sie erwecken tiefes Mit¬ Altpernstein einen Besuch ab, der Bruck¬ leid mit jenen Unglücklichen, die hier ner zu einem großen Erlebnis wurde. einst bis zu ihrem Tode schmachten Lehrer Greck hatte darüber ausführliche mußten. Aufschreibungen gemacht und sie im Plötzlich hatte Bruckner den Einfall, Steyrer Geschäftskalender des Jahrgan¬ sich in einem dieser Burgverließe ein¬ ges 1899 veröffentlicht. sperren zu lassen. Der Förster aber woll¬ Bruckner labte sich zuerst an Bier und te davon nichts wissen, bis er sich auf Käse und trug sich darauf ins Fremden¬ vieles Bitten und Drängen des Meisters buch ein. Er erfreute sich am lieblichen doch herbeiließ, der Bitte Bruckners zu Abblick ins Kremstal, den man von den willfahren. Fensternischen des Rittersaales aus ge¬ Das Licht wurde ausgelöscht und nießt, und an den steil aufstrebenden Bruckner eine Weile im Verließ seinem Felskämmen der Krems- und Falken¬ Schicksal überlassen. Totenstille herrschte mauer, die das Kremstal im Süden ab¬ geraume Zeit. Endlich wurde der er¬ schließen. schöpfte Meister beim Kerzenschein aus Den geräumigen Rittersaal des Schlos¬ seinem Kerker wieder herausgeholt. ses schmückten ehemals bis an die Saal¬ „Resurrexit“ rief der aus seinem Grabe decke angebrachte Ahnenbilder, ver¬ befreite Bruckner nach den Qualen der gilbte Wappen mit teilweise schon ver¬ Einsamkeit, der Finsternis und des Mo¬ blaßten, verwischten Inschriften, für die ders. Doch was der Tonheros während der Meister besondere Liebe zeigte und seiner freiwilligen Kerkerhaft in seinem sie, auf einen Tisch steigend, beharrlich dumpfen, grauenvollen Grabesschacht zu ergründen u. zu enträtseln suchte. Von erlebt und gefühlt hat, vertonte er im einem Fenster des Rittersaales ließ einst herrlichen Credo im jubelnden Resurrexit ein Pernsteiner seinen Bruder, den Schel¬ in einer seiner Messen in wundervollen, lensteiner, in den Abgrund werfen. brausenden Akkorden. Darauf wurde die in der Burg befind¬ Kopfschüttelnd nahm der Förster das liche Kapelle besucht, in der Bruckner, ansehnliche Trinkgeld, das ihm Bruckner der Musikant Gottes, ein andächtiges ganz gerührt in die Hand drückte, dann Gebet verrichtete, das aus der tiefsten wurde der Abstieg zurück nach Kirchdorf Inbrunst seines Herzens quoll. Er konnte angetreten, wobei Bruckner fortwährend sich lange nicht trennen, bis es ihm von seiner neuen Komposition, der endlich zum Bewußtsein kam, daß er Messe, sprach. Während einer kurzen wegen eines anderen Zweckes zum Schloß Rast unter leise rauschenden Bäumen heraufgestiegen war. sagte Bruckner zu Lehrer Greck: „Seg'ns, Bruckner wollte auf alle Fälle zu den so auf die Weis, wie's da droben rauscht, Burgverließen hinunter, wo zur Zeit der säuselt und singt, so hören Sie's auch Raubritter manches Menschenherz seinen in meiner Symphonie“. letzten Seufzer getan. Bei mattem Ker¬ Im herrlichen Credo aber ertönt für zenlicht stiegen nun Bruckner und Leh¬ alle Zeiten Bruckners Tonschöpfung, die rer Greck mit dem die Aufsicht über die Burg führenden Förster die vielen Stufen er in der Burg zu Altpernstein empfun¬ den hat, sein brausendes, jubelndes zu den Verließen hinunter. Die einzel Resurrexit! nen nebeneinander liegenden Kerker 36
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