Der Wald im Herbst Von Maria Schedlberger-Durnwalder In vielen, vielen Farben flammt der Wald. Es ist Licht und Schatten, in allen rembrandtschen Farben und Tönen gemischt. Am frühen Morgen ist die Natur noch nebelverhangen, schemenhaft tauchen Baum und Strauch aus den feinen Schleiern. Am Waldweg liegen wie bunte Flicken viele der gefallenen Blätter und in die Stille rieselt es leise mahnend, vom Vergehen, vom Sterben. Bald aber zerreißt der Nebel, sieghaft dringt die Sonne durch und in das Laubwerk fallen zarte Tropfen, Tränen gleich aus den Augen einer schönen, traurigen Frau. Mit fast unhörbar huschenden Pfötchen, leicht und geschmeidig, springt verspielt ein Eichhörnchen von Stamm zu Stamm. Breit und schirmend stehen die alten Eichen und Buchen, von denen lichthungrig mancher Baum schräg nach vorne strebte, aus der Reihe heraus. Der Saatkrähen heiserer Schrei dringt an das Ohr, die Stimmung mit Schwere zu untermalen, aber auch den Blick auf die offene, freie Seite ziehend. Dort liegt, soweit das Auge reicht, weites fruchtbares, umgeackertes Land, durch das der fried¬ liche Pflug seine Furchen zog. Geheiligte Saat war der Erde anvertraut worden, zu kurzem Schlaf und frohem Neuerstehen. Über allem goldet die Herbstsonne, strei¬ chelnd, wärmend und verklärend. Noch ist es schön, ist es Frühling, der Alten und der Bergwanderer beste Zeit, mit weiter, klarer Fernsicht. Da wir alle Wanderer sind zwischen Zeit und Raum, leiden wir immer an einem Heimweh, an einem Fernweh. Wir wandern damit in den lachenden Frühling, in den laubdunklen Sommer, in den leuchtenden Herbst. Noch brennt der Wald, des Lebens steile Fackel loht und schön und lieblich ist die Natur, auch, wenn es bald zu schneien beginnen kann und der Winter seinen Einzug hält. Der rote Brunnen Von Rosa Mayer Er hatte es auf einmal eilig und freudig Still in sich versunken steht er da, in¬ gurgelnd bemühte er sich, jede so schnell mitten hoher, altehrwürdiger Häuser, ein als möglich zu bedienen. Später, wenn Andenken aus längstvergangener Zeit. die Sonne schon hoch am Himmel stand Frische Blumen schmücken den grauen und das Wasser in den Eimern überfloß, Steinbrunnen und rücken ihn somit in das erfuhr er so manches streng gehütete Ge¬ Blickfeld der Passanten. Verträumt plät¬ heimnis. Schmunzelnd und glucksend hörte scherf er sein uraltes Lied, aber es klingt er zu, bei ihm war es gut aufgehoben. anders als einst, nicht mehr so frisch und froh. Jahre vergingen ihm wie Stunden und er sah die Menschen wachsen wie die Früher einmal war er der Lebensspen¬ Blumen und auch wieder wie diese da¬ der, der Mittelpunkt des kleinen Platzes. hinwelken und er lachte und weinte mit Schon zeitig am Morgen liefen eilige Füße ihnen. zierlicher Trägerinnen mit Eimern über das Pfläster, um das köstliche Naß zu Heute wird er nicht mehr gebraucht, holen. die Zeit der Brunnen ist vorbei. So hat er die Bindung mit den Menschen ver¬ Wenn dann die Schatten wichen und loren. Verträumt steht er da und plätschert zaghaft die ersten Sonnenstrahlen über sein uraltes Lied und ist dabei weit weg, die Dächer der hohen Häuser fielen, ka¬ in einer längstvergangenen, für ihn so men die geschäftigen Hausfrauen von glücklichen Zeit. allen Seiten. 143
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