Preuenhuebers Schweigen über den für ihn eigentlich sehr rezenten Kirchen¬ bau von 1494 fällt auf, aber die anfängliche Vermutung, es habe sich eben bloß um eine spätgotische Veränderung der Kirche von 1305 gehandelt, die als histori¬ sche Tat nicht genügend hervorstach, um aufgezeichnet zu werden. wurde durch die Notiz von 1494 hinfällig. Das Erscheinungsbild der Kirche Die Lage der Spitalskirche ist reizvoll. Bis zurErbauung des Jesuitenklo¬ sters und der Michaeler=(Jesuiten=)kirche beherrschte sie das Steyrdorf als das damals größte Gebäude dieses Stadtteils. Da die Kirche auf leicht fallendem Gelände steht, war im Osten der Kirchenboden mehr als zwei Meter über dem Straßenniveau. Die Kirche hatte rechteckigen Grundriß, war zweischiffig und drei¬ jochig mit fast quadratischen Jochen und hatte somit einen geraden Ostabschluß. Die Innenabmessungen betragen 13 mal 18 Meter. Die noch vorhandenen Details der Architektur weisen mit Sicherheit auf eine Entstehung der Kirche um 1500. Im Dachboden des Vorstadtpfarrhofes sind etwas mehr als 2/3 des Netzrippen¬ gewölbes der ehemaligen Kirche sichtbar. Die Rippen treten stark hervor und be¬ sitzen natürlich gegenüber dem aus Ziegeln gebildeten Gewölbe keine tragende Funktion mehr. Stellenweise sind sie entfernt. Sie sind nicht besonders qualitäts¬ voll gearbeitet. Die meisten Rippen sind zweifach gekehlt, einige Rippenbahnen haben Birnstabprofil. Sie sind aus äußerst weichem Sandstein gebildet. Die kurzen Zierrippchen in der Mitte jedes Gewölbefeldes erinnern an gleich gebildete kurze Rippchen im komplizierten Gewölbe der Vorhalle zum westlichen Südtor der Stadtpfarrkirche. Dieses Südtor ist einer späten Bauphase der Stadtpfarrkirche zuzuweisen. Die schlanken Pfeiler sind achteckig und leicht gekehlt. Diese Art von Pfeilern finden wir in vielen der spätgotischen Landkirchen im Einflußbereich der Steyrer und Freistädter Bauhütte, so in Perg, das um 1500 erbaut wurde (Langhausgewölbe) 20) in Gutau, dessen Gewölbe um 1510 gebaut wurde; in letzterer setzen die Gewölberippen noch unter Vermittlung von Konsolen an den Pfeilern auf. In Schenkenfelden, laut Inschrift 1525 vollendet, finden wir denselben Ansatz der Rippen des Gewölbes, nämlich einen vermittlungslosen. Auch das prächtige Königswiesen, dessen Gewölbe der Zeit um 1520 zuzuweisen ist,22 zeigt in selber Weise gekehlte Achteckpfeiler und vermittlungslos ansetzende Rippen. Die Rippen in der Spitalskirche münden an den Wänden zuerst in Dienste, die einem halben der gekehlten Achteckpfeiler gleichen. Ob sich diese massiven Rippen¬ träger bis zum Kirchenboden hinunter fortsetzten, konnte nicht festgestellt werden An der Mitte der Ostwand münden die Rippen in ein barockes Gebilde aus Stuck, das Reste von Bemalung aufweist. An der Südwand verjüngt sich der östliche der beiden Dienste offensichtlich über einige Abtreppungen. Möglich wäre, daß die Rippen des Gewölbes an der Wand so in Konsolen einmünden, wie es zu beiden Seiten des Kefermarkter Triumphbogens etwa geschieht. Ein verstäbtes Nordportal bot Eintritt in die Turmhalle; es ist unverkennbar vom selben Stilgefühl getragen, das einzelne Architekturformen der Stadtpfarr¬ kirche schuf; zu vergleichen ist hier besonders die Nordkapelle neben dem Nordportal der Stadtpfarrkirche. An der Westwand der Kirche befinden sich zwei weitere stei¬ nerne Türgewände. An das eben besprochene Nordportal erinnert die Sakristeitür. Die Sakristei grenzte westlich an die Kirche — ebenfalls ein Unikum! Die nörd¬ liche der Westwandtüren führt in die Turmhalle und ist der spätesten Gotik bereits entwachsen. Es dürfte dieses Türgewände der Mitte des 16. Jahrhunderts ent¬ 20) Ulm, Benno: Die Stilentfaltung in der Architektur der gotischen Landkirchen in den Bezirken Freistadt und Perg in Oberösterreich. Phil. Diss. Wien 1953. Alpha¬ betischer Schlußkatalog. 21 Ulm a. a. O. 22) Ulm a. a. O. 94
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2