Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1965

In diesem Zusammenhang sei auch kurz auf die romanischen Denkmäler in be¬ der ehemaligen Klosterkirche Garsten hingewiesen. In die der Stadt Steyr nachbarte Abtei kamen um 1107 Benediktiner aus der Altmann=Stiftung Gött¬ weig.*) Die ursprüngliche Garstener Stiftskirche, erbaut um 1080, war daher ein der Hirsauer Bautradition*) zugehörendes Werk, bestehend aus zwei Seiten¬ schiffen und einem überhöhten Mittelschiff mit flacher Holzdecke.*) Im Jahre 1219 wurde die Abtei durch eine Brandkatastrophe schwer getroffen. Aber infolge ungünstiger Zeitumstände konnte der Neubau der Klosterkirche, geweiht der hl. Muttergottes, erst um 1280 in Angriff genommen werden.*!) Sicherlich wurden hiebei die romanischen Mauern beibehalten.*) Noch Wolfgang Lindner, der in seinen Annalen ausführlich über die frühbarocke Umgestaltung der querschifflosen gotischen Pfeilerbasilika im Jahre 1616 unter Abt Anton berichtet, deutet die ro¬ manische Bauart an, wenn er bemerkt, daß von den drei Gewölben der Kirche das mittlere die anderen zwei überrage.“s) Der in der Zeit von 1678 bis 1693 durchgeführte Bau der barocken Abtei¬ kirche beseitigte restlos das romanische beziehungsweise gotische Gotteshaus. Aus der spätromanischen Kunstepoche sind lediglich erhalten geblieben zwei Grabsteine in der Losensteiner Kapelles“), die allerdings auch schon gotische Stilmerkmale auf¬ weisen und die in einem reichgeschnitzten Rokoko=Schrein, eine Arbeit des Floria¬ ner Bildhauers Johann Jakob Sattler (1768) befindliche hochromanische „Wunderbare Muttergottes“. Nach I. Perndl ist diese aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts stammende Sitzfigur neben der „Rieder Kreuzigung“ im Ober¬ österreichischen Landesmuseum (Schloß)ss) die älteste Holzplastik des Landes ob der Enns. Nach einer 1565 in bilderstürmerischer Absicht begangenen Verunstal¬ tung wurde das seltene Schnitzwerk einer weitgehenden Überarbeitung unterzogen und mit einem neuen Holzmantel ausgestattet. Laut Signatur F. W. 1784 stammt die prächtige Fassung von Franz Widmann, Goldfasser zu Steyr.*) Die Rückseite der Skulptur zeigt zwei Stifterfiguren, Brandspuren und Bemalungsreste.“ Im Stift Garsten bestand schon am Ausgang des 12. Jahrhunderts ein „blühendes“ Skriptorium.ss) Leider erfolgte bei Aufhebung des Klosters unter Kaiser Josef II. eine arge Zersplitterung des wertvollen Handschriftenbestandes.*) Zu den bedeutendsten Werken der romanischen Buchmalerei dieser Abtei gehört ein Missale, das 307 Initialen und ein künstlerisch hochstehendes Kanonbild, eine 48 J. Lenzenweger, Berthold, Abt von Garsten, S. 17. 49) „Cluniazensischen Geist vermittelte für den deutschen Kulturbereich das schon seit dem 9. Jahrhundert bestehende Kloster Hiersau". Baldaß, Buchowiecki, Mrazek, a. a. O., S. 17. 50) J. Perndl, Die Pfarrkirche von Garsten (o. J., Verlag Schnell & Steiner, Ders., Die Stiftskirche von Garsten (Sonderdruck aus dem — München), S. 3. S. 5. Jahresbericht des Kollegium Petrinum 1962/63), 51) J. Perndl, Stiftskirche Garsten, a. a. O., S. 8 f. 52) Ebenda, S. 9. (1590—1622). Archiv für die 53) K. Schiffmann, Die Annalen des Wolfgang Lindner 289. S. Geschichte der Diözese Linz. Ig. VI u. VII (1910) Steyr. 54) Freundl. Mitteilung des Herrn Kustos A. Bodingbauer, Mitte des 11. Jahr¬ 55) Kreuzigungsrelief aus Ried bei Kremsmünster (Holzplastik, hunderts. B. Ulm, Mittelalterliche Kunst im oberösterreichischen Landesmuseum. Festkatalog: Das Museum im Linzer Schloß (1963), S. 102. Der Maler u. Goldfasser Franz Widmann (Widtmann, Wittmann) erwarb am 56) 14. 6. 1771 in Steyr das Bürgerrecht und legte am 20. 10. 1772 den Bürgereid I. Schroff, Annalen, Regesten aus dem Steyrer Stadtarchiv. Hs., Bd. 6, ab —0 871, 875. Stadtarchiv Steyr, Kasten XI Lade 43. S. Ders., Stiftskirche Garsten, S. 11, 38. 57) J. Perndl, Pfarrkirche Garsten, S. 7. — Im Handbuch d. Kunstdenkmäler Österreichs v. Dehio, Oberösterreich (1958), S. 84, wird die „Wunderbare Muttergottes“ als frühgotisches Werk bezeichnet. J. Lenzenweger, Berthold Abt von Garsten, S. 172. 58) R. Hittmair, Der Josefinische Klostersturm (1907), S. 310. 52) 89

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