Mit dem Herrgott unterwegs Weihnachtserzählung aus Südtirol von Karl Springenschmid „So etwas gelingt im Leben nur ein einzigesmal ", rief der alte Professor, warf Schlegel und Eisen beiseite, trat ein paar Schritte zurück und schaute, den Kopf schräg, eine Weile mit hal1bgeschlossenen Lidern auf den hohen Kruzifixus hin, an dem' er gearbeitet hatte. ,, Damals war mir alles noch näher. Du verstehst mich doch?" Er nahm das graue Tud1, das auf dem Sockel lag , und warf es unwirsch über die Figur. „Du kennst ihn ja, den, von dem ich spredie. Draußen in meinem Haus steht er im Stiegenaufgang." Er schob mir einen Hocker zu und setzte sid1, ein Bein über das andere schlagend, auf das Fensterbrett. ,, Heute, ach Gott, heute ist das anders: Professor an der Kunstakademie, ein schönes Haus draußen in Gries, einen Weingarten in Überetsch und, was widitiger ist - das alles hier! " Er wies mit seinen sdiönen, ausdrucksvollen: Händen auf die Skulpturen hin, die. gleidi einer illustren Versammlung von Frommer\ und Heiligen, im w·eiten Raume des Ateliers herumstanden, nicht anders, als wären sie in ein Gesprädi über den Sinn des Lebens vertieft . Dann griff er in das Gesimsefadi hinein und zauberte eine halb verstaubte Flasche hervor, ,, Eigenbau ", erklärte er, „dir und mir ", und füllte die 'beiden Bedier. ,, Was war idi damals? Ein junge1 , unbekannter Bildsdinitzer im weltverlassensten Grödnertal, hungrig nach Arbeit, nach Liebe, nach Leben . In Pufels , oben auf dem Berg, habe idi gehaust. Sdiört an der uralten Keusdie war nur der Name: Surlaj. Aber der Mauerfraß saß in den Wänden, der Wind pfiff durdi das Gebälk. Die Agnes, mein junges Weib, erwartete das dri tte Kind . Und vor den Fenstern der Schnee und die helle Not und - bald Weihnadit. Da blickt die Agnes vom Herd her und zu den beiden Mädeln hin, die auf dem Boden kauern und mit den Hobelspänen spielen, fährt ihnen zärtlidi über das Haar, tritt auf midi zu, nimmt meine Hand in die ihre und sieht mich lange an. Idi weiß, der Herd ist leer. Es ist kaum Brot genug im Haus. Wo ist Rat? Wo ist Hilfe? Idi spüre, wie schwer es ihr fällt zu sprechen. ,, Marian", sagt sie, ,,in Gottesnamen, so verkauf' halt den Herrgott! " Sieben Wodien habe idi daran gearbeitet. Es war kein gewöhnlidier Herrgott geworden, wie ihn die Verleger wünsdien, kein „sdiöner" Herrgott, gewiß nidit, vielmehr ein Herrgott - du kennst ihn ja - der das Leid, das ihm von den Mensdien zugefügt wurde, nidit bloß vorstellt, nein, der es wirklidi lebt, ein Herrgott, der allen Sdimerz der Welt in sidi aufgenommen hat. Gerade deshalb galt er mir mehr als alles, was ich bisher aus dem Holz gebradit hatte. Dodi die Agnes hat red1t. Es gibt keinen anderen Ausweg aus unserer Not. kh muß den Herrgott verkaufen. Also gehe icn schweren Herz.ens in die Sdinitzkammer, stelle den Herrgott auf die Tragkraxe und binde ihn mit einem Strick fest. Dann werfe idi den dunklen Mantel über, drücke den breiten, sdiwarzen Hut tief in die Stirne und sdilüpfe in die Tragriemen. Den Herrgott auf dem Rücken, gehe idi in den kalten Wintertag hinaus. Beim Rungaldier, wo gerade das Schwein. das für Weihnaditen gemästet worden ist, den letzten Sdirei tut, trete ich in das Haus. Siebzehn · Rinder hat der alte Rungaldier im Stall. Der reidistc Bauer ist er weitum. ., Einen Herrgott hätte idi, Rungaldier ", sagte idi und stellte die Kraxe nieder. Anton langensteiners Nflg. Glas, Porzellan, Bilder, Bau- und Portalverglasunu Hermlne Promberger STEYR, Pfarrgasse 9, Tel. 2144 56
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