Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1965

Ein Mann mit Gewissen Kriminalgesdtidtte von H. P. Aegler D er elegant gekleidete Herr in den besten Jahren ließ sich mit einer leichten Verbeugung in dem bequemen Klu'bsessel nieder. ,, Die Angelegenheit, die mich zu Ihnen führt, Herr Direktor, ist höchst diskreter Natur", erklärte er ernst. Er zögerte einen Augenblick, als bereue er schon, überhaupt gekommen zu sein. Direktor Beck bot dem Fremden eine Zigarre an; dieser lehnte jedoch dankend ab, indem er seinem goldenen Etui eine Zigarre entnahm. Er rauchte ein paar hastige Züge. Dabei runzelte er die Stirn, als denke er angestrengt nach . Endlich fuhr er fort: „Der Anlaß meines Besuches, Herr Direktor, liegt in einem Ereignis, das nun schon volle zwei Jahre zurückliegt. Heute ist der 10. August. Heute vor zwei Jahren haben Sie doch den großen Einbruch in Ihrem Fabriklager entdeckt, nicht wahr?" „Ja. . . aber ich verstehe n.id1t recht .. . ?" Direktor Beck blickte seinen Besucher 'beunruhigt an. ,,Wissen Sie etwas darüber? Die Polizei konnte damals den Einbrecher nicht fassen . . ." Der Besucher nickte: ,,Sehr richtig - er war und blieb auch bis heute verschwunden." Gelassen fügte er hinzu : „Sie werden wohl iibenascht sein , daß id• über diesen Fall so gut unterrichtet bin. Nun, ich habe Sie aufgesucht, um Ihnen dazu eine widitige Mitteilung zu machen. Der Mann, der trotz der zahlreichen Alarmvorrichtungen diesen verweoenen Einbrud1 durchgeführt hat - bin ich! Es gelang mir, nachdem ich meine Beute zu Geld gemacht hatte, ins Ausland zu fliehen und mich dort verborgen zu halten. Vor vier Wochen ist nun eine unerwartete Wendung in mein Schicksal gekommen: Über Nad1t wurde ich ein reicher Mann, Besitzer eines großen Vermögens, das mir ein entfernter Verwandter, den ich nicht einmal gekannt ha'be, hinterließ ... Ich hätte nun ein sorgenfreies Leben begiru1en können, 36 aber meine Vergangenheit - deren größte, aber leider nicht alleinige Verfehlung der Einbruch in Ihre Fabrik war - warf einen beunruhigenden Schatten auf die Zukunft. Ich hatte immerfort das Gefühl. verfolgt zu werden, immer wieder befürchtete ich, im nächsten Augenblick verhaftet zu werden. Träume von Gericht und Gefängnis plagten mich ... So faßte ich also den Entschluß, der mich jetzt zu Ihnen führte. Ich will Ihnen, Herr Direktor, für den Schaden, den Sie durch meinen Einbruch erlitten haben, volle Entschädigung leisten. Ich will tätige Reue üben, die mein Gewissen entlasten soll. damit ich ein neues, glücklicheres Leben beginnen kann, ohne das unaufhörliche peinigende Gefühl zu haben, eines Tages ins Gefängnis wandern zu müssen. Nennen Sie mir den Betrag meiner Schuld - ich bin zu allem bereit! " Seine Stimme bebte vor Erregung, er erhob sich und sah dem Direktor erwartungsvoll und irgendwie erleichtert ins Gesicht. Direktor Beck rauchte wortlos seine Zigarre und überlegte. Die Worte des Fremden hatten ihrt offensichtlich tief beeindruckt. Dann zeigte er auf den Sessel und sagte freundlich: ,, Setzen Sie sich nur ruhig wieder. Wissen Sie, ·die Angelegenheit ist nicht so einfach, wie Sie vielleicht glauben. Ich muß die Höhe des Schadens erst nach den damaligen Aufzeichnungen in meinen Büd1em feststellen lassen ... " Er zögerte: ,, Ein Teil des Schadens ist mir übrigens von der Versicherung ersetzt worden ... " „Welche Versicherun_gsgesellschaft war das? " ,, Die ,Securita' - aber warum interessiert Sie das?" „Herr Direktor, im sehe es für meine Pflicht an, zu dieser Gesellschaft zu gehen, um dort den Betrag, der Ihnen vergütet wurde, ebenfalls auf Heller und Pfennig zurückzuerstatten!" Eine Weile herrschte Schweigen, nur das Ticken der kleinen Schrei'btischuhr

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