Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1964

Landeshauptmann und Vizedom,) die am 1. Juli 1639 im Auftrage des Kaisers von der Hofkammer als Kommissare über das Armaturwesen im Lande ob der Enns eingesetzt worden waren, suchten nun geeignete Facharbeiter. Nach¬ dem sie bei einem Rohrschmied aus Unterösterreich Erkundigungen eingezogen hat¬ ten, wollten sie Leute aus Suhl kommen lassen. Dieses Vorhaben kam aber nicht zur Ausführung. Man entschloß sich für die Einstellung einheimischer Schmiede da man annahm, daß sie unter einem tüchtigen Meister „geschwinde Hand und Griff bekommen“ würden.2) Es ist nicht bekannt, ob der Ratsherr Gottlieb Hofmann, der die erwähnten Vorarbeiten durchgeführt hatte, auch den Armaturenverlag für sich in Anspruch nehmen wollte. Im Spätsommer bekundete nämlich der bürgerliche Gastwirt, Bäk¬ ker= und Bräumeister Stephan Grafhaider (Graffhaider) großes Interesse an der Musketenerzeugung. Er war damals Besitzer des Hauses Grünmarkt Nr. 12,2]) später, um 1652, bewohnte er das Gasthaus zum „Goldenen Löwen“ Stadtplatz Nr. 32, Bummerlhaus).?) Im Jahre 1637 hatte er sein Bräuhaus am Laichberg aufgelassen und im Stadtteil Vogelsang ein neues errichtet.2s) Am 8. September 1639 erklärte Grafhaider in einem Schreiben an den Lan¬ deshauptmann, daß er auf seine Kosten auf eigenem Grund und Boden im Gsang Vogelsang), wo vor Jahren schon eine „Musketenrohr= oder Bohrmühle“ gestan¬ den, seit geraumer Zeit aber „nicht allein ganz abkommen, sondern in gänzlichen Ruin und Verödung geraten“ sei, eine Rohrschmiede erbauen könne. Es betraf jedenfalls das von Hofmann vorgesehene Grundstück, auf dem vor etwa fünfzig Jahren die Werkstätte der Rohr= und Büchsenhandlungsgesellschaft errichtet wor¬ den war. Grafhaider teilte auch mit, daß er in der Lage sei, schon nach drei Mo¬ naten Musterstücke von Büchsenrohren vorlegen und die Erzeugung aufnehmen zu können.24) Der Landeshauptmann war mit dem Anerbieten des unternehmungslustigen Handwerksmeisters einverstanden und berichtete hierüber am 1. Oktober 1639 dem Kaiser. Er meldete, daß Grafhaider mit der Aufrichtung der Werkstätte schon be¬ gonnen habe, zeigte aber auch die Vorteile auf, die sich ergeben würden, wenn der Landesfürst „auf eigene Unkosten und Verlag“ unter Heranziehung der Inner¬ berger Hauptgewerkschaft die Musketenerzeugung durchführen möchte. Eisen und Stahl kämen billiger, Holz und Kohle könnten aus den kaiserlichen Wäldern bezogen werden.?s) Im Jänner 1640 schlossen der Landeshauptmann und der Vizedom mit Graf¬ haider einen Lieferungsvertrag auf zwei Jahre. Auf Grund dieser Vereinbarung erhielt der Bäckermeister „zu etwas Ergötzlichkeit“ zur Bestreitung der Unkosten „und damit dieses Werk nit gesperrt, sondern befürdert werde“ vom Landeshaupt¬ mann 250 Gulden. Die zu liefernden Musketenrohre habe Grafhaider in Anwe¬ senheit einer vom Kaiser bestellten Person „wie sonsten gebräuchig beschießen“ zu lassen und „nicht gerecht oder gut befundene Rohre“ durch fehlerfreie zu ersetzen. Er verpflichtete sich ferner, die beschlossenen und einwandfrei geschäften Musketen 12) Landesvizedomamt = oberste Finanz=Landesbehörde. 20 Wien, HKA., a. a. O., fol. 1393, 1394. 21 J. Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr. VKSt. (Juni 1951), S. 20 f. 22 J. Krenn, Häuserchronik. Phil. Dissertation, a. a. O., Nr. 62. 23) RP 1637, 17. 24) Wien, HKA., a. a. O., fol. 1411, 1412. 25 Wien, HKA., a. a. O., fol. 1392 ff.: „H. Hans Ludwig Grafen v. Kueffstain Landthauptmanns zu Linz berichtlicheRelation in Sachen Wegen anrichtung etlich(er) gewissen Werckhstött Zu Steyr Zu uerferttigung Musqueten ond ander allerhand Kayserl. Kriegsarmatur sortten betr.“ v. 1. Oktober 1639. 81

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