Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1964

nicht besser. Am besten war es, er setzte seine unschuldigste Miene auf, wenn der Vater sein langes Ausbleiben rügen sollte. Wenn aber der sehr gestrenge Vater schon alles andere wußte, von seinem Fernbleiben am Chor und der Rauferei? Banges Ahnen beengte seine Knabenbrust. Ach was, tröstete er sich selber, wenn schon, es würde auch vorübergehen. langsam nahm er die Geige an sich und drückte das Hütl mit dem grünen Band auf die mißhandelte Stirn. Ein wenig zu hastig für ein gutes Gewissen strebte er heimzu. Der größte Trost für den Weni war die Gewißheit, daß der Stoff!, de:r Nazl, der Tomerl und nod1 ein paar andere mit denselben unguten Gefühlen wie er selber behaftet waren. Kaum war er mit bleiernen Füßen die Treppe des alten einstöckigen Hauses hochgestiegen, kam schon die Mutter auf den Flur. „Ja meinher, mei Bua, weilst nur wieda da bist ", flüsterte sie leise und setzte dann etwas düster hinzu: ,, Da Vata wart' schon auf. di." Da stand auch schon der Gestrenge in der Tür. Nichts Gutes verkündeten das zornrote Antlitz und di~ blitzenden Augen, „Wo warst, Mistbua" , fragte er mit scharfer Stimme. Weni erblaßte. ,,In da Kirchn", sagte er leichthin, denn er kam ja von dort her und es war keine direkte Lüge. ,,Wooo warst", faud1te der. Vater wütend, ,,lüagn a nu, na wart! '' Weni kam zu keiner Antwort mehr. Schwer sauste die Vaterhand in sein Gesicht. Im Bogen flog das Hütl weg. Betroffen starrte der Vater auf das veränderte Antlitz seines Ältesten. „Aha", schnau'bte er, ,, bist a unta de Raufa g'wesen, brauchst ma gar nix mehr sagn, drum warst net am Chor, nur dei Geign und dei Huat, na wart, i wer da lehm, am heiligen Palmsunnta raufn gehn und in Herrn Pfarra in Stich lassn - heit setzt's nu was, na wart!" Beim · Kragen zog er Weni in die Schneiderstube, wo die Elle lag. So friedlichen Zwecken diese sonst diente, in des Vaters Hand, da war sie eine schlimme Waffe, das wußte der Weni schon lange. In Erwartung des Kommenden biß der Bub die Zähne zusammen, daß sie knirschten. Dann krachten die Hiebe auf die gespannte Hose. „So, dös is fürs Lüagn ... ·und dös fürs Raufn ... und dös fürs Argem ... da brach die Elle ab. Weni gab keinen Laut von sich. Die harte Züchtigung versteifte nur den Trotz in ihm. Schemenhaft durchfuhr es sein Gehirn, daß nun ja auch der Vater mit seinen Schlägen die Weihe des Palmsonntags verletzt hatte. Im Laufe der folgenden Debatte erfuhr der Bub, daß der Pfarrherr schon unterm Hochamt einen Boteri zum Vater geschickt hatte, warum der Weni nicht am Chor sei und nur seine Geige und sein Hi.itl oben liegen. Anstatt der Ministranten hatten ein paar ältere Burschen einspringen müssen, während das „Kerzelweibl" den Blas'balg der Or- ·gel treten mußte. Der Herr Pfarrer war sehr nervös gewesen, weil so ein Durcheinander war. Weni seufzte schwer, denn es begann ihm zu dämmern, was er und seine Freunde in ihrer Rauflust alles angestellt hatten. Aber noch waren die Prüfungen dieses Sonntags nicht zu Ende. Wenis kleinerer Bruder, der schüchterne, stille Franzerl, an dem er mit großer Liebe hing, "kam bald nach ihm nach Hause, als der Vater noch im schönsten „Wildsein" war. ,,Ha, bist a bei de Raufa g'wesen", empfing ihn der Vater. ,, Na, Vota, bei welche Raufa", lispelte der sanfte Bub. Er fühlte sich ja völlig unschuldig, denn seit dem frühen Morgen war er draußen in der' ,,Hoad" bei seinen „Schlaghäuserln" gesessen, um für den Vater ein Vogerl zu fangen, weil der geliebte gelbe Kanari eingegangen war. Nun trug er, ins Taschenti.ichl sorglid1 eingewickelt, ein lie'bliches Rotkröpferl im Sack. Und jetzt bekam er Vaters Hosenriemen zu kosten. Weni wollte den Franz.erl verteidigen, aber ein Blick des Vaters ließ ihn verstummen. So mußte er voll iµnerer Qualen zusehen, wie das unschuldige Brüderlein seinetwegen geschJagen wurde. Was alle Hiebe und StTafen an jenem Palmsonntag nicht vermocht hatten, das brachte der Anblick des leidenden Bruders zustande - Weni weinte und bereute es vom Herzen, durch seine. Rauflust so viel Unheil angestellt zu haben. - 45 .

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