Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1964

schöner war als die der anderen. Leider fehlten auch nicht tätliche Al!seinandersetzungen unter den Palmträgern, entstanden durch gegenseitige Hänseleien. Dies ging dann gewöhnlich auf Kosten der Schönheit des „Buschens", der meist als natürliche Waffe herhalten mußte. So auch an jenem Palmsonntag 1877 in Oberplan im Böhmerwald. Schon standen auf dem Oberplaner Kirchenplatz die Leute, gehüllt in ihre feierliche Sonntagstracht, um den Beginn des Hochamtes abzuwarten. Gute Bekannte begrüßten einander, -man sprach in verhaltenen Tönen von den ganzen Dingen, die im ländlichen Leben so wichtig sind, vom Wetter, vom Vieh und den mutmaßlichen Ernteaussichten in diesem Jahr. Schwarzbacher Bergleute standen in Gruppen beisammen, dunkel gekleidet und ernst, wie ihr Beruf sie formte. Dort und da wurde heimli ch um Allerlei gefeilscht, aber wirklich nur ganz heimlich, denn dem damaligen Ortspfarrer Fuchs waren diese Händel vor der Kirche ein heller Greuel, lenkten sie doch nach seiner Erfahrung die Leute später von der Andacht ab, wenn sie anstatt zu beten, noch immer an ihre „Tandlereien" dachten. Er war eben ein richtiger „Scharfer", der es verstand, seine Schäfchen im Zaum zu halten. Ernst und ihrer Würde bewußt, schritten auch so nach und nach die Chormusiker mit ihren Instrumenten durch die angestaute Menge. Auch der noch sehr jugendliche Weni (Koseform für Wenzeslaus) gehörte zu ihnen. Eines biederen Schneidenneisters älterer Sohn, war er schon sehr fiiih der Musik ergeben, obwohl das väterliche -Gewerbe so gar keinen Bezug dazu hatte. Zehn J ahrc zählte der Bub, als sein Lehrer die ungewöhnliche Begabung des Weni entdeckte. Da seine Eltern halt auch nicht zu den Begüterten gehörten, erbot sich der alte, kinderliebende Schulmeister, diesem kostenlos das Geigenspiel zu lehren. Drei Jahre waren inzwischen verstrichen, und der Bub hatte die Erwartungen seines Lehrers nicht enttäuscht. Längst spielte er die Geige wie ein „Alter", weil er mit wirklicher Liebe der Musik ergeben war, und durfte auch schon im Kirchenchor mitwirken. An jenem Palmsonntag war er wieder einer der ersten, die ihren Platz am kirchlichen Notenpult bezogen. Ein wenig verschlafen reckte und streckte er sich, daß der steife Sonntagsrock aus der väterlichen Werkstatt in allen Nähten krachte. Noch war eine halbe Stunde Zeit bis zum Beginn des Hochamtes. Oben im Turm begann es zu rasseln, dann schlug die Uhr die halbe Stunde. Weni stellte sich die Noten zurecht, sah eine Weile in das Kirchenschiff hinab, wo es noch ruhig war, und ibegann-dann seinen Geigenbogen mit einem Stückchen Kolophonium zu bearbeiten. Ganz versunken in seine Beschäftigung, war es ihm ganz entgangen, daß jemand in höchster Eile die Stiege heraufpolterte. Gleich darauf lief der Weber Hans!, ein Schulfreund des Weni, auf diesen zu. Gariz außer Atem war der Hansl, seine Backen glühten dunkelrot und die braunen Augen blitzten wild. ,,Weni", zischte er aufgeregt, ,,d' Stubmer-Buam sani do (Stuben ist eine Ortschaft unweit Oberplans) mit ehnane Palmbesen und ham unsane Buam recht g'hanselt. Se ham za uns g' sagt, sö ham bei ehana in Stuben schenane StaHbesen als mir Palmbesen ham! Und hiatzt", fügte der Hans! aufgeregt hinzu, ,,hiatzt wird's zan raffn, 1nir lassen uns dös net g'falln. Du muaßt mit abi kemma und helfn, weil mir z'weng Buama san. I renn und hol nu mehra z'sa.mm!" Weg war der Hansl und der Weni überlegte nur kurz. Rasch den Bogen hinein zur Geige, den Kasten zugeworfen, seinen Sonntagshut dazugelegt und hinaus ging es wie die wilde Jagd. Im Lauf über die knarrende Stiege· schon stülpte sich der Weni die Ärmel hoch so gut es ging. Noch war Zeit bis zum Amt und bis es begann, da würde, die ,,Sd1lacht" schon entschieden sein. „Na, enk werd'n mas zoagn, mir Oberplaner, wer Stallbesen hat", fauchte der Weni. Heraus bei der Kirchentür und ums Eck hinüber, das war nur so ein Wischer. Laut genug ging's dort schon zu, so daß der Weni nicht lang um den „Kampfplatz" suchen brauchte. Sdiimpfworte flogen hüben und drii'ben, bei den „feindlichen" Lagern, aber mit der Rauferei zögerten die Oberplaner 413

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