Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1964

f in ~atmfonntag in lllberplan Aus den Kindheitserinnerungen meines Vaters Lieblich lag das kleine Örtchen Oberplan in der Morgensonne des Palmsonntags im Jahre 1877. Noch war es ein wenig kühl. Aus dem „oberen Landl" her pfiff ein verdächtig scharfer Wind, aber tagsüber da würde sich trotzdem die Sonne wieder ganz breit hinlegen über die leichtgeweHte Landschaft mit ihren dunklen Wäldern und zartgrünen Wiesenflächen. Wie ein leuchtendes Band aus lauterem Silber durchfloß die Moldau all die knospende, frühlingsselige Pracht dieser wunderbaren Gegend. Langsam trieben ihre klaren Weilchen in verspielten, neckiscq_en Bögen und Krümmungen an stattlichen Höfen, stillem Heideland und grünenden Bäumen vorüber. Gar manche kleine, verträumte Ortschaft lag an ihrem Ufer, bevor sie sich dann unweit Oberplans zu einem Herzen schlang, dem vielbesungenen ,,Moldauherz '.', das gleichsam ein Symbol für djesen Landstrich war - des Böhli1erwaldes Herzstück. längst ·waren aus der kleinen Kird1e in Oberplan die Andächtigen der Morgenmesse heimgekehrt, meist alte Weiblein und ebenso arbeitsgebeugte alte Männchen, die eine stille Andacht dem lauten, musikdurchfluteten Hochamt vorgezogen hatten. Zugleich sollte ja mit dem Amt dann später die Palmweihe sein, einem feierlichen Fest, das immer zahllose Beter in die kleine Kird1e lockte, auch von entlegenen Dörfern. Bummvoll war dann immer das Gotteshaus. Noch war wohl die Farbe der Buße darinnen die Vorherrschende, aber der Palmsonntag trug schon so viel .österliche Vorfreude in sid1, daß er die Düsterheit der Fastenzeit vergessen ließ. Von weit und breit kamen ja die 42 Von Laura Erlacher lebfrischen Bu'ben des Böhmerwaldes mit ihren prächtigen Palmbuschen daher, die mit so viel Liebe und Sorgfalt gebunden waren. Welche Pracht da in einem solchen Buschen stecken konnte, das wußtet nur der Eingeweihte. Rotwangige oder gelbe Äpfelchen, durch Einreibunimit einer Speckschwarte auf Hochglanz gebracht, prunkten ganz unwirklich sd1ön inmitten der immergrünen Zweige des Buchsbaumes oder der stad1eligen Stechpalme. Zartrosa Heidekraut schmiegte sich leuchtend an die putzigen Palmkatzerln, die schon zeitlid1 im Frühjahr geschnitten wurden, bevor sie ihren silberweißen Glanz verloren. Ja sogar ausgesucht sdiöne Nüsse oder mitunter Dörrzwetsmken und Kletzen versteckten sid1 in dem Wust von wihterhartem Grün und frühlingsfrohen Zweigen. Bunte Bänder, je greller in der Farbe umso schöner, flatterten auf diesen Zeugen des immerwährenden Gedenkens an Jesu Einzug in Jerusalem. Doch waren diese Buschen nicht immer reine Palmen des Friedens, denn zwischen ihren Trägern da tobte manch stiller oder aud1 zi.emlich lauter Konkurrenzkampf, so1 bald es sich um die Schönheit ihrer Palmen drehte. Jede Ortschaft wollte die größten und buntesten Busdien haben und sie setzten eine Ehre darein, damit das größte Aufsehen zu ma.dien. Dabei war es für die Buben oft gar keine Kleinigkeit, die schweren „Palmbesen" kilometerweit zu schleppen, aber es war halt gar zu schön, wenn sich die Leute nach ihnen umdrehten oder an die Fenster eilten, um all die bunte Pracht zu sd1auen. Manch hellen Jauch~ zer stieß so ein Bühel aus, wenn es merkte, daß sein Busd1en um .vieles

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