Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1964

auf der inneren Seite des Klappdeckels - in der rechten Ecke. Daran war es unter Tausenden herauszufinden ... " „Naja, das passiert manchmal, daß e in Möbelstück Kratzer kriegt, besonders wo Kinder sind, dabei ist nichts Besonderes", sagte der Abteilungsleiter. ,,Nein, dabei ist nichts Besonderes, gar nichts Besonderes", stimmte Friedrich Freiberg zu. ,,Aber vielleicht, wenn ein Vollstreckungsbeamter ein Klavier pfänden soll, das zwei Kratzer auf der inneren Seite des Klappdeckels hat - ziemlich in der rechten Ecke. Und an dem sitzt gerade ein zwölfjähriges Mädchen und übt - " Längere Zeit saßen die beiden Männer wortlos vor den leeren Flasd1en . Friedrich Fr~iberg brütete stumpf vor .sidi hin. Der Abteilungsleiter dachte an- _gestrengt nach. Sd1ließlich gab der A'bteilungsleiter si ch einen Ruck und sagte: ,, Hier, Freiberg, meine Hand drauf: audi id1 werde das Klavier übersehen! " Die alte Marketenderin Im Land der Berge und der grobaufriditigen Marterln gibt es ein sdiönes, sti lles Tal, die Wildsdiönau. Heute ist es auch schon sehr bekannt geworden, durch die dort abgehaltenen Hodischulwochen. In diesem Tal lebt von alters her ein sd1öner Brauch. An jedem ersten Mai bringt di e Trad1tenkapelle ihren Marketend erinnen, den jungen wie den alten, gewesenen, ei n Ständdien. Zum Dank dafür werden die lustigen und ewig durstigen Musikanten bewirtet, und in froher Laune ziehen sie zum nädisten Standquartier. Diesen ersten Mai hatten sie wieder der „Resi " ein Ständd1en zu bringen, die inzwischen den Siebziger gefeiert hatte und nun audi krank geworden war. Aus der jungen, gesunden und kraftstrotzenden Schönheit war eine alte Frau geworden. Sie erkrankte Tage zuvor plötzlich an einem Leberleiden. Ein Prachtexemplar seiner Rasse Photo Göllner Wie sie im Leben alle Schicksalssdlläge mit Humor und Selbstvertrauen gemeistert hatte, so wollte sie audi jetzt nod1 immer nicht klein beigeben. Als die Musikanten kamen, lachte sie und war glücklidi und stolz, wie in ihren besten Tagen. Entgegenlaufen konnte sie ihnen heute nicht mehr, erst recht nicht, als man sie gerade aus dem Krankenhaus entl assen hatte. Vom Fenster aus rief sie alle herauf und bewirte te sie so gut es eben gi ng. Man trank auf ihre Gesundheit und auf weitere Jahre. Sie tat mit und lachte. Erinnerungen wurden wad1 und ausgetauscht und für die kurze Zeit war eitel Fröhlichkeit im Zimmer. Als dann alle gegangen waren, war es im Raum fast gespenstig still geworden, nur der Zeitmesser tickte unerbi ttlich. Resi ruhte sich von der Anstrengung aus und ließ ihr Leben in kurzen Bildern an ihr · vorüberziehen. Sie hatte jung gehtjratet und war mit ihrem Mann und zwei Kindern in die Groß -- stadt gezogen. Durdi Jahre führte sie dort ein kleines Mild1gesd1äft . Bei einem Verkehrsunfall kam ihr Sohn ums 37

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