- ' ....__ J ' ; ~ I, , <_-,.,,. 1 -::;-\ :, ' . Fritz Herrmann ~ - ~ ~~ Klavier mit zwei Kratzern ~ ~j Seit 30 Jahren versah Friedrich Freiberg seinen Dienst als Vollstreckungsbeamter. Er arbeitete zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten und zum Verdruß seiner Klienten. Wie er selbst sich dabei fühlte, danach wurde er nicht gefragt. ,, Das ist kein Beruf, sondern eine Strafe", hatte er früher einmal zu seiner Frau gesagt, die inzwischen ge- ·stot'ben war. ,, Du mußt eben versuchen, außerberu.Hich nette Dinge zu finden ", hatte si e in ihrer verständnisvollen Art geantwortet und ihm am nächsten Tag einen Wellensittich geschenkt. Obwohl Friedrich Freiberg auch nach dem Tode seiner Frau anfänglich seinen Dienst mit gewohnter Korrektheit gegen sich und seine Kunden · ausübte, fühlte er sich abends immer sehr unbefriedigt. Friedrich Freibergs berufliche Leistungen ließen nach. Es geschah immer häufiger, daß er ein Auge zudrückte, wo Nachsicht fehl am Platze war. Bis ihn schließlich der Leiter der Vollstreckungsabteilung zu sich rief: ,, Was ist denn eigentlich los mit Ihnen, Herr Freiberg? Sie haben doch sonst sogar in den schwierigsten Fällen mit Erfolg geat'beitet und nun das? Hier, sehen Sie sich die Akte mit der ~ Bestandsaufnahme in der Lindenstraße an! Da ist nachträglich ein guterhaltenes Klavier festgestellt worden. Sie hatten es überhaupt nicht erwähnt - glattweg weggelassen!" ,,Ich weiß das ", sagte Freiberg. ,,So - Sie wissen das sogar? Sie haben das Klavier also absichtlich nicht angefü~rt? " ,,Ja. „Aber Herr Freiberg! Wir sind doch hier unter uns. Kein Mensch zwingt Sie zu sagen, sie hätten das Klavier absid1tlich in der Bestandsaufnahme weggelassen, Ich habe das nid1t gehört, was Sie gerade gesagt haben, und I\otiere: Nad1trägliche Berichtigung zu der Bestandsaufnahme in der Wohnung Leimbach: „Ein gut erhaltenes Klavier, irrtümlich bei der Bestandsaufnahme vergessen ... " ,, Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit, aber ich ha1 be das Klavier nicht vergessen: ich habe es absicp_tlich weggelassen. Absichtlich - verstehen Sie?" ,,Herrgott nochmal, Freiberg! Begreifen Sie denn nicht, welchen Klamauk das gibt, wenn ich so schreibe, wie Sie es möchten?" ,,Das läßt sich leider nicht ändern." ,, Vielleicht gibt das eine Strafversetzung oder eine vorzeitige Pensionierung 35
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