Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1964

J orko aus Bjeli Selo ritt auf seinem Esel durch die Straßen von Pivotin. lm Zentrum der Stadt band er das Tier an einen Pfosten und trat in das große Amtshaus ein, in dem der Bezirkskommandant herrschte und viele Beamte regierten. Bald fand er die richtige Tür. Er wußte, dahinter saß ein leiblicher Vetter, der Oberschreiber von Pivotin. Er klopfte an die Tür und betrat den Raum. „Lieber Vetter ", sagte er zu dem O'berschreiber, ,,ich grüße dich. Und einen Gefallen mußt du mir tun ... " „Ich kenne dich nicht". sagte der Vetter. ,, Id1 bin nicht dein Vetter, sondern der Oberschreiber seiner Exzellenz des Herrn Bezirkskommandanten. " J orko schnappte nadi Luft. „Du kennst mich nidit? " stammelte er. ,, Nein" , sagte der Oberschreiber. „Bin ich nicht der älteste Sohn von deines Vaters jüngstem Bruder? Und haben wir nicht als Kinder zusammen Munneln gespielt und Äpfel gestohlen? " „Nid1t daß ich wüßte ", antwortete der andere. ,,Was be.gehrst du, Bürger?" „Du sollst mir eine Schrift geben, auf der mein Name steht und der Ort meiner Geburt und solche Sachen . .. " ' ,,Das ist mein Amt", erklärte der Obersdireiber. ·,,wer bist du?" ,,Wer ich bin? Dein Vetter natürlich, der Jarko. Wer sonst? Das weißt du doch. " „Ich weiß nichts", erwiderte der Oberschreiber trocken. ,,Bringe dafür Beweise! Hast du Zeugen mitgebrad1t, die didi kennen, oder irg~ndeine Schrift?" ,,Wozu, da du mich selbst kennst?" „Du bist fredi und dreist", sagte der Oberschreiber drohend. ,,Wenn das mein allergnädigster Herr wüßte, seine Exzellenz der Herr Bezirkskommandant, der Humo reske von Benno v . Braitenberg würde dü eine Tradit Prügel verabreidien lassen, und das nidit zu sparsam.·' ,,Ich ... " begann Jorko. Aber der andere unterbrach ihn. ,,Genau so gut oder nodi eher", sagte er, ,,könnte ich dir bestätigen, du seist irgend ein Achmed, der Sohn eines Achmed aus Novo-Zagora, oder wer sonst ... " „Das würde mir passen", erklärte Jorko sdinell. ,,Was würde dir passen? " ,, Das mit Achmed aus Novo-Zagora", antwortete Jorko . ,,Der Name gefällt mir. Gi'b mir eine Schrift, daß idi der bin. " Ungehalten sprang der Oberschreiber auf. ,,Das ist ein starkes Stück! " rief er. „Du bist ja gar nidit der Achmed aus Novo-Zagoral" „Wie willst du das wissen? " warf Jorko ein. ,,Du kennst midi ja nidit." Da machte der Oberschreiber eine empörte Geste. ,,Was!" rief er. ,,Bist du etwa nicht der älteste Sohn von meines Va ters jüngstem Bruder? Und haben wir nicht als Kinder zusammen Murmeln gespielt und Äpfel gestohlen?" ,, Schon richtig", antwortete Jorko, ,,aber ... " „Kein aber", unterbradi ihn der Oberschreiber. ,, Kein a'ber! Du kriegst natürlidi nur diese Schrift, die sagt, daß du der Jorko bist aus Bjeli Selo. Und nichts will idi wissen von einem Adimed aus Novo-Zagora ." ,,Ja", sagte Jorko. ,,Ja", wiederholte der Oberschreiber. „Aber dich verstehe ich nicht! Zuerst willst du mein Vetter Jorko sein, dann ein gewisser Achmed und jetzt wieder der Jorko. Niemals hätte ich sowas für möglidi gehalten. Ich jedenfalls könnte mir solchen Wankelmut nidit erlauben, ich, der Oberschreiber seiner Exzellen,z des Herrn Bezirkskommandanten von Pivotin, ich nicht!" l05

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