Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1963

Woher stammt dies eigenartigei „Andachtsbild" des in der Grabkufe stehen- den lebenden Herrn? Einige Darstellungen zeigen eine Auffälligk eit. Bei dem hinter dem Scl;imerzensinann aufragenden Kreuz hat der Kreuztitel nicht die ge- wohnte biblische Inschrift INRI, sondern die griechische BAl lilEY2 1:17 , 11 U2H2 (König der Herrlichkeit). Mit Recht hat man deshalb einen byzan tinischen Ur- sprung des Bildes vermutet, und nach neuesten Untersuchungen ist die Herkunft des Schmerzensmannbildes geklärt. Die gried1ische Kird1e hat scho n von alters her keinen einheitlichen Kirchenraum. Um den Hauptaltar gruppie ren sich zwei Kapellen, deren linke Protesis genannt wird. h1 ihr findet der ziemlid1 u111fang- reid1e Gottesdienst der Opfergabenzubereitung (Proskomodie) statt. Einen Höhe- punkt der äußeren ·Prachtentfaltung des griechischen Gottesdienstes bildet sd1on seit ältesten Zeiten der sogenannte „Große Auszug " (Magnus Exod us), bei dem die Opfergaben in feierlicher Weise durd1 den ganzen Kirchenraum zum Haupt- altar getragen werden. In dem Augenblick des Auszuges wird i n zahlreichen Zwei gen der griechisd1en Liturgie ein Lied gesungen, das sich stark an den Kö- nigspsalm 23: ,, Macht auf die Tore, ihr Mächtigen ... der König der Herrlidikeit wird einziehen" anlehnt. Den Beweis, daß das Schmerzeusmaunbild die- sem Gesang seinen Ursprung verdankt, bietet der Umstand, daß i n zahlreidien Apsiden der erwähnten Protesis eben dieses Bild erscheint wie h eute noch in einigen Athosklöstern . Die östliche Liturgie ' war eben in diesem Au genblick von der Vorstellung beherrsdit, daß sich die Königsgewalt Christi in der Erniedrigung als Opfergabe oder Opferlamm am deutlichsten zeigt, den Aufersteh ungsgedanken schon vorausahnend. Das Opferlamm✓ war aber hier in den eucharistischen Opfergaben zum S-ehen und Greifen nah. So konnte das Bild des „Kön igs der Herr- lichkeit", das in der östlichen Protesis auf die Opfergaben niederscha ute, durchaus als eucharistisches Bild aufgefaßt werden und verlor auch diese Ei genschaft nie mehr gänzlich . Der „König der Herrlichkeit" in der Grabkufe trat nach 1204 seinen Zug ins Abendland. an. Die ersten Darstellungen entstammen dem ausgehend en XIII. Jahr- hundert. Es war eben die Zeit, da sich in der abendländischen Frö mmigkeit der große Wandel des Christusbildes vollzog und mit dem franziskanisch zeitbedingten Armutsideal der triumphierende Christus-König zum leidbeladenen armen Jesus wurde. Die Grabkufe und die Leidenswerkzeuge an dem ursprünglich en Triumph- bild der Protesis formten es alsbald zum „Schmerzensmannbild" sc hled1thin um . Ganz ging aber die ursprüngliche eucharistische Färbung des Bild es nicht ver- loren. Es verband .sich alsbald mit der Meßfeier und mit der Perso n des großen „liturgisd1en" Papstes Gregor I. Ihm soll bei der Wandlung, um seine Gegenwart zu beweisen, der Herr i1t dieser Gestalt ersd1iene11 sein . Wo und wa nn sich diese Verbindung mit Papst Gregor vollzog, konnte bis zur Stunde ni cht ergründet werden . Vermutlich hat ein gewisses Interesse des lange im Orie nt weilenden Papstes •. dazu beigetragen . Die nmunehr in Erscheinung tretende Fo rm der „Gre- goriusmesse " hat im Abendland weite Verbreitung gefunden und g roße Meister wie Albrecht Dürer oder Bernt Notke zur Darstellung aufgerufen. Freilich wird d:ie Erinnerung an den ursprünglidien eudiaristischen Charakter nic ht immer le- bendig geblieben sein. Oft wurde der Sdunerzensmann zum Inbegrif f der Passion und sd1111ückte Anstalten diristlidier Caritasi und vor allem aud1 we gen der zahl- reichen Ablässe die Po rtale gotischer Kird1en " . Im Zusammenhang mit diesem Thema sei aud1 eine Legende erwähn t. Dies- bezügÜch wird hier eine Stelle aus dem Katalog zur vorher erwähnten Ausstellung angeführt: ,, Die Legende berichtet, daß der hl. Papst Gregor der Große ( 590- 604), als er in Rom in der Sta:tionskirche Santa Croce vor dem Bilde des Sdimer- zensmannes mit den Leidenswerkzeugen das Meßopfer darbrachte, durd1 Gottes Gnade den Beweis für die Transsubstantiation erfuhr: Vor seinen Augen ver- wandelte sich während des Kanons di e Hostie in das Fleisch des He rrn . Die Ent78

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