Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1963

Zrorimal flntaryllis JEinr !EqiilJ!ung uon jJHnrri Th)oppr D u hast dich kaum verändert ", sagte Ann und blickte auf den Mann, den sie nach elf Jahren zum ersten Mal wiedersah. Wolf saß lachend auf der Kante eines Sessels und merkte nicht, : daß die Asche seiner Zigarette auf den Teppich fiel. Aber Ann merkte es, und ein ganz kleines Fältchen erschien auf ihrer Stirn. So war er immer schon gewesen, dieser hübsche Wolf, strahlender Laune und unaufmerksam den Dingen gegenüber, die andere betrafen. Ann war Witwe, im Herbst würde sie dreißig werden, ihr Junge machte nebenan seine Schulaufgaben. Und dieser Junge wollte einen Vati haben! ,Damals' , hatte Wolf erst vor wenigen Minuten gesagt, ,damals konnte ich dich noch nicht heiraten, Ann, damals war ich ja noch viel zu jung - aber nun, wie wäre es damit? Du hast die hübsche Wohnung und alle Sachen, die man so braucht . Ich verdiene gut, habe eine glänzende Zukunft vor mir - und kleine Jungen mag ich besonders gern'. Elf Jahre kann man nicht in einer Stunde abstreifen wie ein Kleid, dachte die Frau, aber andererseits war eine gemeinsame Jugendzeit wohl ein guter Boden, um auf ihm schnell Neues wachsen zu lassen. Ann sah heimlich zu dem Mann hin, sein Anzug war tadellos, geschmackvoll gewählt Hemd und Krawatte, sein Haar wurde , schon dünn, aber was schadete das. Er lachte gern und redete gern, aber beides konnte durch das plötzliche Wiedersehen leicht übersteigert sein. Er war ein Mann, nach dem sich viele Frauen umwenden würden. Es würde ein fröhliches Leben werden mit ihm. Ihr Mann war nicht leicht und nicht lustig gewesen, manchmal hatte sie heimlich über seine Schwerfälligkeit ein wenig geseufzt, aber dann mußte sie doch immer bald erkennen, daß · Verläßlichkeit eine bessere Basis war als alles andere. Wolf erzählte von Wettkämpfen, die er gewann, von Gefahren, die er siegreich bestand, nichts schien ihm etwas anhaben zu können. Als Ann ihm gestand, erst kürzlich ziemlid1 viel Geld durch ihre geschäftliche Unwissenheit verloren zu haben, rechnete er ihr vor, wie sie alles hätte klüger machen können. Ihr Junge kam herein und fragte, wann Karl der Große gelebt habe. 55

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