Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1963

Die alte Kripperltradition - einer der letzten Vorführer war um die Jahrhundertwende Johann Marik im Gasthofe Kandler (Goldene Sense), Sierninger Straße 30 - wurde nun durch den Verein „Heimatpflege" durch mehr als fünf Jahrzehnte unverändert weitergepflogen. Das Kripperl wanderte von der Siernin.ger Straße zunächst in die Haratzmüllerstraße, ehe es endlich eine ständige Heimstatt im traditionsreichen Innerbergerstadel fand. Studienrat Prof. Goldbacher, Medizinalrat Dr. Klunzinger, Fin.-Ob.-Komm. Buchta, Dir. Handstanger sowie die fast ihr Leben lang als Spieler tätig gewesenen Frau Mohr und Herr Schmidinger sen. bleiben in Erinnerung. Die Auswirkungen zweier Weltkriege gingen am Kripperl nicht spurlos vorüber. Eine gründliche Überholung war fällig geworden; früher war zufolge der Wirtschaftskrise, die besonders Steyr erfaßte, nicht daran zu denken gewesen. Ununterbrochen wurde aber, selbst im letzten Kriege, obwohl das Kripperl bereits dem gänzlichen Verfalle preisgegeben war, jährlich über die Weihnachtszeit gespielt. Die Beheizungs- und Lichtanlagen entsprachen keineswegs mehr den feuerpolizeilichen Vorschriften. Ein gewaltiger Rufer nach Renovierung erstand nach dem Tode Prof. Goldbachers im damaligen Vereinsobmanne Ing. C. Young. Unter seinem Nachfolger, Studienrat Prof. Anton Neumann, dem langjährigen Kulturreferenten der Stadt Steyr, konnte dieser Plan nun endlich - mit Unterstützung der Stadtgemeinde, des Landes und anderer Stellen - verwirklicht werden. Zusammen mit der Spielleitung und Betreuung des Kripperls wurde mir im Jahre 1955 in Anbetracht der Familientradition - das Kripperl war neben dem Museum die Herzensangelegenheit meines Vaters - der äußerst mühevolle und zeitraubende Auftrag erteilt, die umfassenden Erneuerungsarbeiten zu planen und zu überwachen. Mehrere Jahre wurden in Erfüllung dieses Auftrages dem Kripperl gewidmet. Da die wichtigsten Arbeiten - um im Winter wieder spielfähig zu sein - in die Sommermonate fielen, war es oft schwierig, die geeigneten Handwerker zu bekommen. Wurde zu-· nächst mit der Verlegung der Starkstromleitung, den Maurer-, Maler-, Tischlerun9- Zimmermannsarbeiten (Erneuerung und Erhöhung der Sitzreihen zwecks besserer Sicht) begonnen, so folgten später laufend Verbesserungen an der Spielbühne :;elbst. Ganze Häusergruppen, wie clie der Handwerker, ware.ri vom Holzwurm derart zernagt, daß sie teilweise schon beim Ausbau in Staub zerfielen. Kitsdt wurde durch Stilechtes ersetzt, einige gotische Häuser und das Schloß wurden neu aufgestellt. Viel Geschick als Kripperlbastler bewies hiebei Erich Mühlbauer. Der Schwachstromanlage samt Zuleituhg zu den Spielpuppen und -gruppen ließ Heinrich Bamminger seine ganze Liebe angedeihen. Über 500 Spielfiguren mußten teils erneuert und zur Gänze eingekleidet werden; die Gewänder waren verstaubt und von Motten angegriffen, sodaß viele Puppen fast nicht mehr erkennbar waren. Um die . Spielfolge nicht zu unterbrechen, wurden die allerwichtigsten Puppen zuerst erneuert. Es kam im ersten Jahre der Renovierung zuweilen vor, daß ich während der laufenden Vorstellung augen'blicklich benötigte Puppen aus den Werkstätten ·der beiden Ste)\rer „Puppentanten" Frau Ottilie Mitter und Frau Laura Erlacher per Motorroller· heranschaffte. Glaubte noch vor fünf Jahren niemand mehr an eine Rettung des Kripperls, so wurde· mit der endgültigen Kornmissionierung am 17. November 1961 und der restlosen Erfüllung· der dabei gemachten Vorschreibungen der Schlußstrich unter die gelungene Erneuerung gezogen.. Neben den besonders den Kindern vertrauten Szenen des „Nachtwäditers ", des „Liachtlanzünders" und des „Bäckernazis" künden nunmehr in bunter Reihenfolge audi wieder „Ennssdiiffzug ", ,, Einzug des ägyptischen Josef " oder „Almauftrieb ''. .. von Besdiwernis, reli giösem Ernst und Freude verklungener. Tage. Oskar B u c h t a

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