Wir stellten uns auf, nur zehn Schritte von einander entfernt. Stephan gab das Zeichen, zwei Schüsse fielen. Der Deutsche stürzte zu Boden. Er war auf der Stelle tot. Ohne lange zu überlegen, stieg ich über den Gartenzaun, schwang mich in den Sattel und jagte fort. Die Nacht begünstigte meine Flucht. Ich entkam noch einmal glücklich über die Grenze nach Ungarn. Als im März des Jahres 1818 die allgemeine Amnestie erlassen wurde, kehrte ich in die Heimat zurück. Ich fand mein Gut, das der alte Stephan indes verwaltet hatte, ziemlich verwahrlost. Meine Frau war und blieb verschollen. So tief ihr zweifacher Verrat an mir und dem Vaterlande mein Herz verwundet hatte, so beherrschte mich doch die Liebe zu ihr vollständig, ja sie steigerte sich zu einer Art Leidenschaft, einem qualvollen Seelenleiden. Ich war unfähig zu ruhiger Arbeit. Nachdem ich einige Monate vergebens versucht hatte, mein Gut zu verwalten, in einer geordneten Tätigkeit Trost und Heilung zu finden, begann ich sie in der weiten Welt zu suchen und warf mich zugleich von neuem der Revolution in die Arme. Mitten im Sturme fühlte ich mich frei und wohl. Ich kämpfte auf den Barrikaden in Dresden und Prag, dann im Oktober in Wien und wendete mich dann, gleich vielen anderen meiner Landsleute nach Ungarn. Ich liebe meine Frau heute noch, ich liebe sie wahnsinnig und nur der Tod wird mir Erlösung bringen! - Wistezki schwieg hierauf und alle anderen schwiegen auch. Der Tag brach an. Das kleine Heer Bems stellte sich in Schlachtordnung auf. Die Russen nahmen den Kampf an und entwickelten ihre Massen. Man sah den russischen General auf einem Schimmel durch die endlosen Reihen reiten und seine Truppen aufmuntern. Plötzlich erwachte in Bern der alte .Artillerist von Ostrolenka. fa richtete selbst ein Geschütz auf den feindlichen Heerführer und schoß es ab. Man sah auf Seite der Ungarn ganz genau die Wirkung des Schusses. Der russische General stürzte mit seinem Pferde zu Boden und wurde atif einer aus Gewehren gebildeten Bahre fortgetragen. Ein anderer General übernahm den Oberbefehl. Die Schlacht begann. Beide Teile kämpften tapfer und hartnäckig, trotzdem waren die Russen bei Sonnenuntergang vollständig geschlagen und traten eilig den Rückzug an. Als Wistezki mitten in der Nacht mit seinen Ulanen von den Verfolgung des Feindes zurückkehrte, hörte er in der Nähe eines russischen Geschützes, das die polnische Legion genommen hatte, ein leises Stöhnen. Er stieg vom Pfei-de und näherte sich dem Verwundeten in der Absicht, ihm beizustehen. Es war ein russischer Offizier, der mit dem Tode rang und ihm für die angebotene Hiife mit einem schmerzlichen Lächeln dankte. ,,Es war ein Pole, ein Kind fast, der mir das Bajonett\ in die Brust stieß" , murmelte er, ,,er hat mich gut getroffen. Trotzdem bedaure ich jetzt, ihn getötet zu haben. Dort liegt er." Wistezki beugte sich über den Toten, den der Mond geisterhaft beleuchtete, stieß einen Schrei aus und sank auf ihn nieder. Es war seine Frau, die hier, auf dem Felde der Ehre, gefallen war für Vaterland und Freiheit, und ihren Fehltritt gebüßt hatte wie eine echte Polin. 1 KARL KOWARIK L TAPEZIERER - DEKORATEUR STEYR, Berggasse 36 - Telefon 2477 POLSTERMÖBEL MATRATZEN TAPETEN Leichtmetall-Jalousien 53
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