Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1962

in die Gaststube. Sie sah einen Augenblick zu, was ihr Mann vor der Uhr trieb. Dann sprach sie ihn an: ,. Um Gottes Willen, was ist denn mit dir? Gleich kommst du mit mir nach Hause!" Doch der Mann ließ sich nicht irremachen und gab keine Antwort, sondern sprach weiter sein ,Einmal hin, einmal her'. Da faßte sie ihn beim Arm und bat: ,,Mann, du hast ja Fieber, komm, du gehörst ins Bett! " Als sie ihn wegführen wollte, schlug er mit den Füßen aus und schrie noch lauter: ,,Einmal hin, einmal her, einmal hin, einmal her ... !" Die Gäste ·-hielten nur mit Mühe das Lachen zurück, der Wirt aber gab der Frau verstohlen einen Wink und sagte ihr leise: ,, Da gibt es nur ein einziges Mittel. Gehen Sie zur Pumpe, holen Sie einen Kübel Wasser und schütten Sie ihm das kalte Wasser über den Kopf . Das wird ihn wieder gesund machen! " Die arme Frau rannte in ihrer Verzweifl ung gleich hinaus und kam mit dem Kübel voll Wasser zurück. Als Meier bemerkte, was im Zuge sei , machte er mit Händen und Füßen abwehrende Bewegungen und schr ie noch lauter sein ,Einmal hin, einmal her .. .'. Aber seine Frau hielt das für eine Steigerung seiner Narrheit und schüttete den ganzen Kübel über ihren Mann aus, der nun wie eine gebadete Maus dastand, sich dann wütend umdrehte u. schrie: ,,Hast du nicht warten können, bis die Stunde um ist? Hundert Kronen und ein Eimer Bier sind hin!" Der Mann, der keine Almosen gab Es war einmal ein Mann, der gab den Armen niemals Almosen. Wenn sie an seine Tür kamen und ihn darum baten, ließ er die Hunde los und hetzte sie auf . die Bettler. Eines Tages saß er auf einer Steinbank im Hausflur. Da kam ein Armer und bat ihn um einen Scheffel Weizen, und er gab ihn hin. Danach bat er um einen Sack, in den er das Almosen hineinschütten könnte, und auch den gab er ihm. Und zuletzt flehte der Arme ihn an : ,,Herr, ich bin alt und kann den Weizen nicht auf meinem Rücken tragen ; wenn Ihr einem Diener befehlt, ihn mir hinzubringen, wird Gott es Euch lohnen." Der Mann: befahl einem Diener, den Scheffel Weizen zu tragen. Der Arme und der Diener machten sich auf den Weg, und nach einer halben Stunde sagte der Arme zu dem Diener: ,,Dein Herr ist soeben gestorben. " ,,Was?" ,,Dein Herr ist soeben gestorben", wiederholte der Arme. 44 Da sahen sie einen Hasen, der von einem Windhund verfolgt wurde, mi t großen Sprüngen auf sie zukommen . „Der Hase ", sagte der Arme, ,,ist die Seele deines Herrn, und, der Windhund ist der Teufel. Da sind sie schon." Der Hase suchte zwischen den Beinen des Armen Zuflucht, und sogleich kam der Windhund. Der öffnete eine Art Meßbuch, das er bei sich hatte, und begann die Sünden vorzulesen, die der Herr begangen hatte, und e;: waren deren so viele wie die Fäden des Sackes, in dem der Arme den Scheffel Weizen hatte. „Für jedes dieser Körner, die der Herr dir gab ", sagte der Teufel zu dem Armen, ,, vergibt Gott ihm eine Sünde. Zähl sie! " Der Arme zählte sie, und es ergaben sich zuletzt drei Körner mehr, als der· Sack Fäden hatte. So hatte der Herr seine Seele für drei Weizenkörner gerettet. (Spanisches Märchen)

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