Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1962

Johann Peter Hebel: Der Wirt eines Gasthofes war in guter Laune. Er spielte auf der Zither und sang heitere Lieder. Dann kam das Gespräch auf allerlei Wetten. Der Wirt behauptete, er wüßte etwas, womit er jede Wette bestimmt gewinnen könnte. ,,Das ist nicht möglich ", riefen die Gäste. ,. Gut", sagte der Wirt, ,,ich wette um hundert Kronen und einen Eimer Bier, daß keiner von Euch eine Stunde lang vor der Uhr steht und nach der Bewegung des Perpendikels fortwährend spricht: ,Einmal hin, einmal her'. Wer das nicht kann und sich dabei stören läßt, hat verspielt und muß selbst hundert Kronen und einen Eimer Bier bezahlen!" ,,Das kann doch jeder", meinten alle, und der Kaufmann Meier rief schnell, damit ihm niemand zuvorkomme : ,,Ich _gehe die Wette ein!" „Gemacht! " sagte der Wirt und schlug in Meiers dargebotene Hand ein. Dieser nun war ein sehr sparsamer, manche sagten ~ogar geiziger Mann. Er saß gewöhnlich den ganzen Abend bei einem einzigen Glas Bier, aus dem er jede Viertelstunde ein Schlückchen nahm. Diese hundert Kronen urid den Eimer Bier lasse ich nicht aus, dachte Meier und stellte sich vor die Uhr. Und schon ging es los: ,, Einmal hin, einmal her, einmal hin, einmal her .. .". Alle anderen Gäste lachten und suchten Meier durch Zwischenrufe zum Reden zu J/erlocken. Doch der zuckte nur mit den Achseln und sagte unentwegt sein ,Einmal hin, einmal her .. .' Der Wirt, der sich zuerst den Bauch vor lauter Lachen gehalten hatte, wurde bald unruhig. Daß Meier so ruhig! und zielbewußt vorgehen würde, hatte er nicht erwartet; da mußte Meier ja gewinnen, und er selbst war um hundert Kronen und einen Eimer Bier ärmer. Der Wirt war jedoch nicht auf den Kopf _gefallen. Er ging in die Küche hinaus und gab der Magd den Auftrag: „Schnell zur Frau Meier und sage ihr dort, daß ihr Mann verrückt geworden ist. Sie soll gleich ins Wirtshaus kommen und nach dem Rechten zu sehen!" Es dauerte nicht lange, so trat auch Frau Meier in leichter Kleidung - bei ihrem Sprung aus dem Bett hatte sie keine Zeit zum Schönmachen gehabt - . .. und schüttete den Kübel über ihren Mann aus . . . 43

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