Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1962

Wind konnte hier nicht so wü ten: der Weg war glatt ; das Pferd zo·g kräftiger an und Wladimir wurde ruhiger. Aber er fuhr und fuhr , und Shadrino war dennoch n,icht zu finden ; das Gehölz schi en kein Ende zu nehmen. Zu seinem Schrecken gewahrte er, daß er in einen ihm unbekannten Wald geraten war. Verzweiflung bemächtigte sich seiner . Er gab dem Pferde die Peitsd1e; das arme Tier setzte sich in Trab, ließ aber bald wieder nach, und schon nach einer Viertelstunde verfiel es in Schritt, trotz aller Bemühungen. des unglückseligen Wladimir. Allmählich ·lichteten sich die Bäume, und Wladimir fuhr zum Walde hinaus; von Shadrino -· keine Spm! Es mochte wohl sd10n Mitternad1t sein. Tränen stürzten ihm aus den Augen ; er fuhr aufs Geratewohl weiter. Der Sturm ließ nach; die Wolken verzogen sich ;· vor ihm breitete sich eine mit einem gewellten, weißen Teppich bedeckte Ebene aus. -Die Namt war ziemlid1 klar. Nid1t gar zu weit erblickte er ein kleines Dorf. das sich aus vier oder fünf Höfen zusammensetzte. Wladimir fuhr auf dieses Dorf los. Bei der ersten Hütte sprang er aus dem Schlitten, lief ans Fenster und klopfte. Nach einigen Minuten wurde der Fensterladen hochgeschoben und ein alter Mann streckte seinen weißen Bart zum Fenster hinaus: ,, Was willst du? " ,, Ist es nod1 weit bis Shadrino? " ,, Ob es bis Shadrino noch weit ist?" ,,Ja, ja! Ist es noch weit?" „Nein, nicht weit, vielleicht ein Dutzend Werst." Bei dieser Antwort griff sid1 Wladimir ins Haar und stand regungslos da, wie ein zum Tode Verurteilter. „Woher kommst du denn? " fuhr der Alte fort. Wladimir brachte es nicht über sich, auf die Frage zu antworten. ,, Gu te r Alter, könntest du mir wohl Pferde nach Shadrino besorgen?" ,, Wo haben wir denn Pferde! " erwiderte der Bauer. „Aber könnte id1 nicht wenigstens einen Führer bekommen? Im werde ihm alles bezahlen, was er verlangt.'.' ,,Warte hier ", sagte der Alte, den Fensterladen herunterlassend, ,, ich schicke dir meinen Sohn. Der bringt dich hin." Wladimir wartete. Noch war keine Minute vergangen, als er schon wieder am Laden klopfte. Der Laden ging hoch, der weiße Bart kam wieder zum Vorsd1ein. ,, Was willst du? " ,,Wie ist es mit deinem Sohn? " „Er kommt gleich, er zieht sid1 die Stiefel an. Friert dich am Ende? Komm nur herein und wärme dich ein wenig." ,, Danke! Schicke nur deinen Sohn so bald als möglich." Die Pforte knarrte; der Bursche kam mit einem Knüttel; er ging voran und wies den Weg, oder suchte ihn, wenn er vom Schnee verweht war. ,, Wieviel Uhr _ hab en wir? " fragte Wladimi_r. „Bald wird der Morgen grauen ", antwortete der junge Bauer. Wladimir sagte kein Wort mehr. Die Hähne krähten, uud es war schon hell, als sie in Shadrino eintrafen. Die Kirche war geschlossen . Wladimir entlohnte den Führer und fuhr auf den Hof des Priesterhauses. Seine Troika war nicht auf dem Hof zu sehen. Und welche Nachricht erwartete ihn! .. . Kehren wiT nun aber zu den trefflichen Besitzern von Nenaradowo zurück und sehen wir zu, was sich dort bei ihnen ereignet hatte . Nun - gar nichts! -Die alten Herrschaften waren aufgewacht und hatten sich in den Salon begeben; Gawrila Gawrilowitsch trug sein Käppchen und seine Friesjacke, während Praskowja Petrowna einen wattierten Schlafrock an hatte. Der Samowar wurde gebracht, und Gawrila Gawrilowitsch schickte ein Mädel zu Marja Gawrilowna, um zu erfahren, wie es ihr ginge und wie sie geschlafen habe. Das Mädel kam mit dem Bescheid zurück, das gnädige Fräulein habe schledlt geschlafen, aber nun ginge 36

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