Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1962

Steyrer Kalender ZUR UNTERHALTUNG schneesfuMn Ein Gespann - versdmeite Welt Jagt 111 it Wi11de ssd111 elle . .. Abseits liegt im frei en Feld Einsam die Kapelle .. . Sdmeesturm plötzlidt ringsumher, Floc!?en, wirbeln , zittern ... Sdtwarzer Rabe, ßügelsdtwer, Taumelt über' 111 Sdtlitteu. Heulend braus t der Sturm hera11, Kü11det Not und Träueu. Bebeud hastet das Gespann Mit gesträubten Mähne11. Sl1uhowshij Gegen Ende des Jahres 1811, in dieser für uns so denkwürdigen Epoche, lebte der gute Gawrila Gawrilowitsch R . . . auf seinem Landgut Nenaradowo. Er war im ganzen Kreise wegen seiner Gastfreundschaft und wegen seiner Herzensgüte bekannt; die Nachbarn kamen unentwegt zu ihm gefahren, um bei ihm zu essen, zu trinken und um fünf Kopeken mit seiner Frau Praskowja Petrowna Boston zu spielen; manche kamen aber auch, um einen Blick auf seine Tochter Marja Gawrilowna zu werfen, ein schlankes, bleiches, siebzehnjähriges Mädchen. Sie galt als reid1e Braut, und es gab viele, die sie_sich selber oder ihren Söhnen zur Frau wünschten. Marja Gawrilowna war mit französischen Romanen in der Hand aufgewachsen und war somit verliebt. Ihr Erwählter war ein armer Fähnrich, der - nun beurlaubt - auf seinem Landgut lebte. Es versteht sich .vo~ selbst, daß der junge Mensch in gleicher Leidenschaft entflammt war, und daß die Eltern seiner Liebsten, nachdem sie die beiderseitige Neigu.ng wahrgenommen hatten, der Tochter mit aller Strenge verboten, an ihn überhaupt auch nur zu denken, während: er selber von ihnen so empfangen wurde, als wäre er noch minderwärtigen als ein verabschiedeter Assessor. Unser .Liebespaar stand dauernd im B1iefwechsel; auch trafen sie sich täglich im geheimen in einem Tannenwalde oder bei einer alten Kapelle . Dort schworen sie sich ewige Treue, haderten· mit ihrem Schicksal und schmiedeten verschiedene Pläne. Nachdem sie also dergestalt Briefe getauscht und Gespräche gewechselt hatten, kaipen sie (was sehr begreiflich erscheint) zi:i dieser Schlußfolgerung: wenn wir ohne einander nicht mehr atmen können, der Wille unsrer grausamen Eltern jedoch 1insrem Glück widersteht, so wäre es vielleicht möglich, auch ohne denselben auszu.kommen? Es yersteht sich, daß dieser glückliche Gedanke zuerst dem Kopfe des j11ngen Mannes entsprang, und daß er der romantischen Phantasie Marja Gawr ilownas überaus ~ohlgefü,l . · · Es wurde Winter, und die Begegnungen hörten auf; desto lebhafter wurde der Briefwechsel weitergeführt. Wladimir Nikolajewitsch flehte sie in jedem seiner Briefe an, sie möge sid:i ihm hingeben, sich· heimlich mit ihm trauen lassen, sich dann einige Zeit verborgen halten, um sich darauf den Eltern zu Füßen zu werfen, die endlich - durch die heroische Treue gerührt und vom Unglück der Liebenden ersd1üttert - unbedingt sagen würdert: ,, Kinder, kommt, laßt euch umarmen! " 2 33

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2