Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1961

polterte mit den Füßen gegen die Bretterwand. Sie gab nach , ein Stück von ihr fiel krachend hinüber in den Bereich der Spitzin. Sie stieß ein erschrockenes Gebell hervor, das Kleine winselte, dann war alles still. ,, Teixi übereinander, wirst jetzt an Fried geben, Rabenviech?" murmelte Provi und legte sich zurecht und zog die Knie bis zum Kinn herauf, denn so „schlief es sich am besten". Aber just jetzt wollte es mit dem Einschlafen nicht gehen, trotz der Stille und trotz seiner Erschöpfung und trotz seiner Schlaftrunkenheit! Allerlei Gedanken kamen einhergeschlid1en, ganz neue Gedanken, nie von ihm gedachte. Ja, die Spitzin war ein Rabenvieh mit ihrer Sucherei, wenn aber seine Mutter auch so gewesen wäre wi e sie und so rastlos nach ihm gesucht hätte, sie hätte ihn gewiß gefunden ; er hatte ja in der Zeitung gestanden, er war angeschlagen gewesen auf dem Bezirksamt. Am End hat sie sid1s gar nicht verlangt, ihn zu finden. Die Zigeuner haben ihn am End gar nicht gestohlen, seine Mutter - ,, die Miserablicher " - hat ihn ihnen am End geschenkt, noch draufgezahlt vielleicht, daß sie ihn nehmen ... No jo r Vielleicht wird sie sich seiner geschämt haben , war vielleid1t was Hohes , eine Bauers - tochter oder eine Wirtstochter . .. Verfluchter Kuckuck! Wenn sie so eine Wirtstod1ter gewesen wäre und ihn behalten hätte ... Alle Sonntag würde er sich seinen Rausch angetrunken haben, und den Montag hätte er immer blau gemacht und im Wirtshaus und auf der Kegelbahn geraucht, getrunken, gerauft. Ein Götterleben malte er sich aus, als - verfluchtes Rabenviech ! - die Spitzin n ebenan wieder anfing zu stöhnen und zu kratzen und ihn aus seinen Träumen riß , die so wonni g gewesen waren. Voll Zorn richtete er sich auf, nahm ein Scheit Holz, trat über die niedergeworfenen Bretter in den Versmlag des Hundes und führte knirschend wuchtige Schläge gegen den Boden, auf dem die Spitzin im Dunkeln ängstlich umhersmoß. Er sah nicht, wohin er traf, er drosm zu nach red1ts und nach links, vorwärt s und rückwärts und endlid1 - da hatte er sie erwischt, da zuckte etwas Weiches , Lebendiges unter seinem wütend geführten Hieb. Ein kurzes, klägliches - ein anklagendes Geheul ertönte, gellte grell und förmlim schmerzhaft an Provis Ohr. Es überrieselte ihn. Was für ein seltsames Geheul das gewesen war . .. ,, No jo " das „Rabenviech " hat jetzt genug. wird Ruh geben, eine Weile wenigstens. Er kehrte zu seiner Lagerstätte zurück, kauerte sich zusammen und schlief gleich ein. Nam ein paar Stunden erwamte er plötzlich. Die aufgehende Sonne sa ndte einen fe.urigen Strahl aus , der ihm durch eine Luke in der Tür des Verschlages und durch die Bresche in der Wand leud1tend rot ins Gesitz blitzte. Er öffnete die Augen und stand auf. Die Spitzin kam ihm plötzlich und recht unbehaglich ins Gedämtnis. Wenn er sie „so" totgeschlagen haben sollte heute nacht, würd e der Wegemacher, der keinen Eingriff in sein Eigentum duldete, schwerlim versäumen, ihn selbst' halbtot zu schlagen. No jo ! dachte er und fuhr mit den zehn Fingern durm seine staubigen Haare, um die Heustengel zu entfernen, die sich in ihnen verfangen hat.ten. Da rührte sim etwas zwisd1en den Brettern, da kroch es langsam heran. Die Spitzin krom heran und schleppte ihr Junges im Maul herbei. Sie hatte es an der Nackenhaut gefaßt und benetzte es mit ihrem Blute, denn es floß Blut aus ihrem Maule, ein dünner Faden die Brust entlang. Zu Provi schleppte sie ihr Junges , legte es vor ihm nieder; drückte es mit ihrer Smnauze au seine nackten Füße und sah zu ihm hinauf. Und ihr Auge hatte eine Sprache, beredter als jede Sprache, die die schönsten Worte bilden kann. Sie äußerte ein grenzenloses Vertrauen, eine flehentliche Bitte, und man muß t e sie verstehen. Wie das Sonnenlimt durm die gesmlossenen Lider Provis gedrungen war, so drang der Ausdruck dieses Auges durch den Panzer, der bisher jede gute Regung von der Seele des Buben ferngehalten hatte. -· ,,Jo! jo r" stahl es sid1 von seinen Lippen. Er antwortete ihr, die nun hinfiel, zuckte, sich streckte .. . die er erschlagen hatte und die gekommen war, ihm sterbend ihr Kleines anzuvertrauen. 40

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