Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1961

ob . von kleinen Jungen, ob von kleinen Mädchen, galt gleich - ging barhäuptig und barfüßig, wurde geprügelt, 1besd1i111pft, verachtet und gehaßt und prügelte, beschimpfte, verachtete und haßte wieder. Als für ihn die Zeit kam, die Schule zu besuchen, erhielt er dort zu den zwei schönen Namen, die er schon hatte, einen dritten: ,, der Abschaum", und tat, was in seinen Kräften lag-, um ihn zu red1tfertigen. - Da war im Orte die brave Sehoberwirtin. Im vergangenen Herbst hatte Provi in einem Winkel ihrer Scheuer eine Todeskrankheit durchgemacht ohne Arzt und Pflege. Nur die Schoberin war täglich nad1sehen gekommen, ob es nicht vorbei sei mit ihm, und hatte ihm jeden Morgen ein Krüglein voll Mild1 hingestellt . Die Gewohnheit, ihm ein Frühstück zu spenden, behielt sie bei , auch nachdem er gesund geworden war. Plinktlid1 · um fünf fand er sid1 ein; blieb auf der Schwelle der Wirtsstube stehen und rief: ,, Mei Miiakh!" Er bekam das Verlangte und ging seiner Wege. Einmal aber ereignete sich etwas ganz Ungewöhnliches. Der Wirt, der sonst seinen Abendrausd1 regelmäßig im Bette ausschlief, hatte ihn diese Nacht auf der Bank in der Wirtsstube ,wsgeschlafen und erwachte im Augenblick, in dem Provi auf die Schwelle trat und rief: ,, Mei Mlialch !" „Was sagt der Lackel? Was wollte er? " Schober dehnte und reckte sid1. Ein verflucht kantiges Lager hatte er gehabt, seine Glieder schmerzten ihn, und seine Laune war schled1t. Der grobe Klotz Provi fand heute an ihm einen harten Keil. ,, Nicht zu verlangen, zu bitten hast, du Lump! Kannst nicht bitten?" Der Junge riß die farblosen Augen auf, sein schmales Gesicht wurde noch länger als sonst, der große, blasse Mund verzog sich und sprad1: ,, Na! " Die Früchte, die ihm dieses Wort eintragen sollte, reiften sogleich. Schober sprang auf ihn zu, verabreichte ihm sein Frühstück in Gestalt einer tüchtigen Tracht Prüg-el und warf ihn zur Tür hinaus. Solche kleine Zwisruenfälle machten aber keinen-Eindruck auf den Jungen. Wie alltäglid1 fand er siru am nächsten Morgen wieder ein und forderte in gewohnter Weise „seine" Milch. Die Wirtin gab sie ihm, aber eine gute Lehre dazu: „Du mußt bitten lernen, Bub , weißt? - bitten. Bist schon alt genug, bist gwiß - ja, wenn man bei dir nur was gwiß wüßt! - gwiß schon vierzehn. Also merk dir, von morgen an: Wenns kein Bitten gibt, gibts keine Milru." Sie blieb dabei, ob es ihr auch schwer wurde. Wie schwer, sah Provi wohl, und es war ihm ein Genuß , eine Befriedigung seiner Lumpeneitelkeit. Ihm, dem Ausgestoßenen, dem Namenlosen, war Macht gegeben, der reichsten Frau im ganzen Orte Stunden zu trüben und die Laune zu verderben. Sie blickte ihm mit Bekümmernis nach, wenn er ohne Gruß an ihrer Tür vorüberging, zur Arbeit in den Steinbruru. Dort taglöhnerte e r jetzt beim Wegemacher, der ihn in Kost genommen und ihm ein Obdach im Ziegenstall gegeben hatte. Der Wegemacher brauchte nicht wie die andern Leute den Umgang mit Provi für seine Kinder zu fürchten. Die fünf Wegemacherbuben konnte der Auswürfling nid1ts lehren , sie wußten ohnehin schon alles und waren besonders Meister in der Tierquälerei. Die Ziegen, Kaninchen, die Hühner , die ihnen untertan waren, und der Haushund, die unglückliche Spitzin, gaben Zeugnis davon, ihre Narben erzählten davon und ihre gebrod1enen Flügel. Provi fand sein Ergötzen an dem Anblick der Roheit , den er jetzt stündlich genießen konnte. Er fing für die kleineren der Buben Vögel ein und gab sie ihnen „zum Spielen ", und diese Opfer konnten von Glück sagen, wenn sie kein allzu zähes Leben hatten. Das ärmste von den armen Tieren der Wege111ad1erfa111ilie war aber die alte Spitzin. Sie lief nur noch auf drei Beinen und hatte nur noch ein Auge. Ein Fußtritt des Erstgeborenen unter ihren Peinigern hatte sie krumm, ein Steinwurf sie halb blind gemacht. Trotz dieser Defekte ' trug sie ihr impertinentes Näschen hom und ihr Schwänzd1e11 aufrecht, bellte jeden fremden Hund, der sich blicken ließ, wütend an , und ihre Beschimpfungen gellten ihm auf seinem Rückzuge nach. Die Söhne 36

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