Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1960

Zeit schon wieder nachhause gegangen war, hatte er sich über Befehl des Stadt¬ gerichtes vom Verdachte des vorsätzlich begangenen Mordes „vermittelst angestell¬ ten Bahr=Rechtes zu purgiren und reinigen.“ Am frühen Morgen des 16. Jänner wurden die Leichen der Ermordeten auf Bahren in den Hof der heutigen Dominikanerkirche gebracht, wo sich die Rats¬ herren und das Stadtgericht versammelt hatten. Hier hatte Sallmayr den ihm vom Stadtrichter Adam Pfefferl vorgesprochenen nachfolgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre bei dem allmächtigen Gott, daß ich an der Entleibung dieser beiden Per¬ sonen, deren Körper allda zugegen, unschuldig bin, und dazu weder mit Rath noch That geholsen, oder einiges Wissen darum habe, als wahr mir Gott helfe, und das Leiden Christi.“ Nach Leistung dieses ersten Teiles des Schwures wurden die bei¬ den bedeckten Leichname von den anwesenden Badern an den Stellen, die die tödlichen Wunden aufwiesen, abgedeckt. In diese Wunden mußte Sallmayr nun Zeige= und Mittelfinger der rechten Hand legen und den zweiten Teil der Eides¬ sormel nachsagen: „Wo ich aber mit oder bei dieser Entleibung, es sey mit eigener That oder Anweisung, verwandt gewesen, oder hiervon das geringste Wissen habe, so rufe ich hiermit an die heil. Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn und heil. Geist als die einige und höchste Wahrheit, daß sie, zur Erforschung des wahren Grundes dieser Mordtat aus Gnaden schicken wolle, daß diese Leiche, zur Rache und Voll¬ ziehung der göttlichen Gerechtigkeit, ein öffentliches Blutzeichen von sich scheinen lassen und geben wolle, Amen!“ Als nach dieser Anrufung Gottes keine Blutzeichen erfolgten, wurde Sallmayr vom Stadtgerichte als unschuldig an dem Morde erklärt und von der „gefaßten Inzicht losgesprochen“ Viele Jahre später erst, als die zur Zeit des Mordes lebende Generation bereits der kühle Rasen deckte, wurde in einem Anmerkbuche des verstorbenen pro¬ testantischen Magister Joachim Müller verzeichnet gefunden, daß der Täter ein Sallmayrs zu¬ Nachbar des Ermordeten war. Er hatte dem „Purgationsprozeß“ gesehen, war dem Leichenzuge als Trauergast gefolgt und hatte überdies der Lei¬ chenpredigt beigewohnt. Mit tiefer Reue hatte er später dem Pfarrer den Mord einbekannt. Aus dem ∆ — Muzikleben der Stadt Steyr nach dem Dreißigjährigen Kriege Über bestimmte Zweige des kulturellen Lebens der Eisenstadt Steyr in frü¬ heren Jahrhunderten sind wir mangelhaft unterrichtet. So besteht auch die archi¬ valische Überlieferung, die sich auf das städtische Musikleben bezieht, zumeist nur in trockenen, kurzen Ratsbeschlüssen über Rechtsangelegenheiten der im Burgfried tätigen Musiker. Doch auch diese farblosen Hinweise deuten zur Genüge an, daß in der Barockzeit der Musik in Steyr eine besondere Pflege zuteil wurde. Die Hauptzentren ernster Musik waren naturgemäß die Stadtpfarrkirche und die Jesuitenkirche St. Michael in Steyrdorf. Aus Stiftsbriefen wissen wir, daß schon die ursprüngliche Stadtpfarrkirche, die bis zum Jahre 1443 an der Stelle der jetzigen stand, über eine Orgel für liturgische Gottesdienste verfügte.! Im Jahre 1478 vollendete im heutigen Gotteshaus der Orgelmacher Hannes Laus aus Deg¬ 57

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