niemand drängte sie. Aber länger als nötig wollte sie keinesfalls bleiben. Das Dorf mißfiel ihr in seiner feindlichen Häßlichkeit und stimmte sie doppelt traurig Vielleicht war es überhaupt falsch gewesen, hierherzukommen, um eine Vergangen¬ heit zu beschwören, die seit zehn Jahren geschwiegen hatte. Neuerliche Zweifel lähmten ihre Schritte: Warum hatte sie sich nicht mit der endlichen Gewißheit begnügt? Warum war sie nicht dankbar, nichts als dankbar gewesen für jene Mitteilung, die sie von einem zermürbenden Warten befreit hatte? Warum hatte sie die Anstrengungen dieser ermüdenden, weiten Reise von der Nordsee bis an die Pforte zum Osten auf sich genommen? Um dem Toten Abbitte zu leisten für all das Bittere, das in den letzten Jahren trennend zwischen ihnen gestanden war? Gewiß, ihre Ehe war nicht gut gewesen, und seit die Bom¬ ben das Kind erschlagen hatten, war nur mehr wenig Bindendes zwischen ihnen gestanden. Heute, nach all der Zeit wußte Andrea, daß sie, wenn man von Schuld überhaupt sprechen konnte, den größeren Teil davon trug als der Tote, der sie unter einem Erdhügel auf der Anhöhe erwartete. Erwartete, oder sich von ihr wenden würde ... Die Sprache der spielenden Kinder drang fremd und lärmend an ihr Ohr. Obwohl Andrea die Mundart der hiesigen Gegend nur schlecht verstand, trat sie auf eine Gruppe von Knaben zu, die ernst und eifrig mit bunten Tonkugeln spielten. Ob es auf dem Dorffriedhof deutsche Soldatengräber gäbe, fragt sie die Buben und war bemüht, die sprachliche Eigenheit ihrer norddeutschen Heimat, so gut es ging, zu verbergen. Erstaunt blickten die Knaben auf die Fremde, mit den Ge¬ danken noch ganz bei ihrem Spiel. Doch die Worte „Friedhof“ und „Soldaten¬ gräber“ drangen schnell in ihr Bewußtsein und veranlaßten sie zu bereitwilliger Mitteilsamkeit. Ja, es seien ihrer drei, der deutschen Gräber nämlich, erzählten sie Andrea; von den russischen gäbe es allerdings mehr, doch die lägen am anderen Ende des Friedhofes. Und sie, die Buben, seien gern bereit, die Frau zu den Gräbern zu führen und ihr Auskunft zu geben über alles, was sie wüßten. Fünf Minuten später stand Andrea im Kreise fremder Kinder vor einem blumenüberwachsenen Hügel, den ein schlichtes Birkenkreuz schmückte. Mit ver¬ schleiertem Blick las sie den Namen ihres Mannes, das Datum seines Todestages und darunter in verschnörkelter, gotischer Schrift die Worte „Auf Wiedersehen! Andrea bückte sich und legte den Blumenstrauß, den sie mitgebracht hatte zwischen die lebenden Blüten in deren Mitte er kaum zur Geltung kam. Und dies nahm sie wunder: Daß wohl auch die Gräber der beiden anderen deutschen Sol¬ gepflegt waren, jedoch kein Blumenschmuck sie auszeichnete, der bei ihres daten Mannes Grab auf eine ganz persönliche Betreuung durch irgendjemand, schließen ließ. Photo-Handlung Photo-Atelier BICHLER Steyr, Bahnhofstraße 3 (gegenüber Hotel Nagl) G. Mehwald TELEPHON 2435 SAMTLICHE KAMERAS Aufnahmen von Portraits - Kinder - Industrie und U. ZUBEHOR / FACHLICHE Werbung in und außer Haus 7 Reportagen von BERATUNG SOWIE Festlichkeiten und Trauungen 7 Das älteste und be¬ 5 AMATEURAUSARBEITUNG kannteste Fachgeschäft in Steyr seit 1868 41
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