Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1960

nalurkunden, mit denen die Stadt jederzeit die ihr von verschiedenen Landesfürsten gewährten Privilegien nachweisen konnte und deren Vorhandensein für die Stadt von weitreichender Bedeutung war. In einem Schreiben vom letzten November des Jahres 1609 wandte sich daher der Rat an die „Hoch: ond Wolgebornen Herrn auch Edlen Gestrengen ond Hochgelehrten Herrn7 Herrn der Khöniglichen Maye¬ stet Zu Hungern vund designierden Khön (iglichen) Würden in Behaimb (Böh¬ men) Herrn Herrn Mathiae Ertzhertzogen Zu Österreich vusers Genedigisten Herrn Hochlöb (liche) Statthalter, Cannzler, Regenten ond Räthen deß Regiments der N: H: Landen Unsern genedigen Herrn“ und bemerkte, daß er auch in früheren Jahren um den Konsens zur Abhaltung von Ratswahlen angesucht hätte, bisher aber nie die Vorlage der Originalurkunden über die Privilegien Steyrs gefordert worden wäre. Die erbetene Genehmigung sei der Stadt immer ohne „Einnige diffi¬ cultet“ gnädigst bewilligt worden. König Matthias habe auch in der Kapitu¬ lationsresolution entschieden, daß die Ersetzung der Bürgermeister Rich¬ ter und Stadtschreiber, sowie die Abhaltung der Ratswahlen in Ober= und Nieder¬ österreich nach den alten Privilegien „alten Herkhommen gewonhait vund gerech¬ tigkhait“ auch künftighin erfolgen solle. Die Stadt bat, im Hinblick auf diese Tatsachen und weil die Neubesetzung von Amtern notwendig geworden war, da ja auch z. B. Stadtrichter Trauner vor kurzem gestorben war, die Wahl an Sonntag vor St. Thomas, der 1609 auf den 10. 12. fiel, abhalten zu dürfen.9 Die n. ö. Regierung ließ sich mit der Beantwortung des Ansuchens um die Wahlgenehmigung Zeit. Mittels in Preßburg abgefaßten Dekretes vom 30. 12. 1609 wurde der Stadt schließlich die Vornahme der Wahl ohne Beisein der Kom¬ missare genehmigt. In einem Aufrufe der Stadt an die Bürger wird ausgeführt, daß die Erlaubnis zur Abhaltung der Wahlen „etwas Zu Spatt khomen“ ist und deshalb die Wahl auf den 12. Jänner 1610 verschoben werden mußte. Unter Be¬ rufung auf den abgelegten Eid wurden die wahlberechtigten Handwerker und Bür¬ ger in Steyr und den Vorstädten aufgefordert, sich an dem vorerwähnten Tage, nach der Mahlzeit, „so man die große Glockhen in der Pfarrkhürchen Leüthen wir¬ det“, sich ins Rathaus zur Wahl der Rats= und Gerichtsämter zu begeben.10 Die Tätigkeit Jahns spielte sich in einer sehr bewegten Zeit ab. Kaiser Ru¬ dolf hatte seinen Bruder Matthias ermächtigt, mit den Aufständischen in Ungarn und mit dem Siebenbürger Fürsten Stephan Bocskai in Friedensverhandlungen einzutreten. Am 23. 6. 1606 wurde in Wien Friede geschlossen, der den Ungarn freie Religionsausübung sichern sollte und bei dem Bocskai Siebenbürgen und ver¬ schiedene ungarische Komitate für sich und seine Nachkommen verliehen oder zu lebenslänglichem Unterhalte zugewiesen erhielt. Im November des gleichen Jahres. konnte in Sitvatorok auch mit den Türken ein auf 20 Jahre begrenzter Friede unterzeichnet werden. Am 21. 3. 1606 wurde Matthias vom Kaiser zum Gouver¬ neur von Ungarn ernannt. Wegen der zunehmenden Geistesschwäche Kaiser Rudolfs schloß Erzherzog Matthias am 25. 4. 1606 mit seinem Bruder Maximilian und den Vettern Fer¬ dinand und Maximilian einen geheimen Vertrag, wonach die Vorgenannten Mat¬ thias als Oberhaupt des Hauses anerkannten. Diesem Vertrag trat am 11. 11. 1606 auch der Regent der Niederlande Erzherzog Albrecht bei. Als einziger Erzherzog verweigerte Leopold, Bischof von Passau, dem Vertrage die Zustimmung. Dem Kaiser war diese Geheimabmachung bekannt geworden. Er sah sich daher bewogen, auf dem im Jahre 1608 in Regensburg abgehaltenen Reichstage statt eines Bruders Matthias, Erzherzog Ferdinand zum Stellvertreter zu ernennen. Matthias begann nun seinerseits mit Maßnahmen gegen den kaiserlichen Bru¬ der. So berief er die ungarischen Stände zu einem Landtage nach Preßburg, gleich¬ zeitig die österreichischen nach Wien ein. Diese wurden aufgefordert, überdies am ungarischen Landtage teilzunehmen. In Preßburg wurde nun beschlossen, mit den Ungarn gemeinsam beim Kaiser die Erfüllung der Bedingungen des Sitvatoroker und des Wiener Friedens zu erreichen. Als Abgesandter Steyrs nahm an der 110

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