Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1960

Feuerwaffen auf die Menge gerichtet und das Tor wurde von Männern mit vor¬ gestreckter Hellebarde gesichert. Dieses Vorgehen erbitterte die Demonstranten aufs äußerste. Während ein Teil von ihnen den Pfarrhof umlagert hielt, sah sich der andere um Hilfe in der Stadt um. Sehr rasch erfolgte weiterer Zuzug von Neu¬ gierigen und Bewaffneten. Auch Bürgermeister Muth, Stadtrichter Hirsch mit eini¬ gen Mitgliedern des Inneren Rates, Viertelmeister und Wachen eilten herbei, um einen Zusammenstoß vermeiden zu helfen. Aus dem Pfarrhofe wurden in der Zwi¬ chenzeit mehrere Schüsse auf die Demonstrierenden abgegeben. Zwei Messerer und ein Beutlergeselle wurden von „doppelten Trath=Kugeln getroffen und erbärmlich zur Erden gefällt“ Unter Lebensgefahr hielten nun der Bürgermeister und die Gemeindefunktio¬ näre die Menge ab, den Pfarrhof zu stürmen. Ein eigenartiger Zufall kam ihnen bei ihrem Bemühen zu Hilfe. In dem allgemeinen Trubel wurde auch die Sturm¬ glocke der Kirche geläutet. Da diese Glocke aber auch bei Feuersbrünsten in der Stadt und den Vororten angeschlagen wurde, glaubte ein Großteil der Menge, daß in Steyr Feuer ausgebrochen wäre. Eilends verließen nun viele den Schauplatz, um ihre Wohnungen oder Häuser zu schützen. Die Verbleibenden konnten zum Abzug bewogen werden. 26 Nach Ansicht der Stadtväter schien sich das Predigtverbot in der Stadt auch äußerst schädlich auf die Moral auszuwirken. „.. weil sich ongebürliche vermi¬ schung von Mann ond weibs Personen starckh eraignen “ befahl der Rat am 3. Mai 1599 dem Stadtrichter, ledige Personen beiderlei Geschlechtes, „welche sich mit dißem Lasster der onzucht ond vnehelichen vermischung 7 sither der ein¬ gestelten Predigten ond vorher vergriffen haben... alßbaldt . . .“ aus der Stadt abzuschaffen. Hiebei solle der Stadtrichter mit aller Schärfe vorgehen.27 Das Fehlen der Predigten hatte seine Auswirkung auch auf die Gemeinde¬ armen. Bisher konnten von den „Armen leutten“ des Spitales, sowie des Bruder¬ und des neu erbauten Herrenhauses an Sonn= und Feiertagen, sowie an Diens¬ tagen und Freitagen, vor den Kirchen Almosen gesammelt werden. Um die Armen doch in den Genuß der Almosen kommen zu lassen, gab der Rat dem Armenhaus¬ verwalter Hieronymus Händl den Auftrag, mit einer „Verschloßenen Püxen“ in die Häuser sammeln zu schicken.28 Am 16. April 1599 befahl der Rat den Viertelmeistern anzuzeigen, daß der „graussame Erbfeindt der Türckh abermals mit Khriegsmacht wider die Christenheit Zuziehen vorhabe“. Die Bürger sollten aufgefordert werden, sich für den Notfall zu bewaffnen. Den Viertelmeistern und den ihnen unterstellten Rottmeistern wurde aufgetragen, daß sie in ihren Stadtvierteln ein Verzeichnis über jene Bürger, die keine Waffen besaßen, anfertigen sollten. Dieses Verzeichnis müßte bereits am näch¬ sten Tage in der Ratskanzlei abgegeben werden, damit Waffen verteilt werden könnten.29 Auch über die Gestellung von 2000 Mann durch die o.=ö. Städte für die Kämpfe in Ungarn wurde am 4. 10. 1599 in Linz beraten. 30 Die Kriegsgefahr veranlaßte den Rat, energische Maßnahmen zur Sicherstel¬ lung von Brotgetreide für die Bevölkerung zu treffen. Das auf den Wochenmärkten zugeführte Getreide hatte in Gegenwart eines Deputierten der Stadt direkt vom Produzenten, den Bauern, an den Konsumenten gegen Barbezahlung verkauft zu werden. Damit wurde die Ausschaltung des Schwarzhandels bezweckt. Weiters er¬ hielten die Viertelmeister den Auftrag, in ihren Stadtteilen die Getreide= und Mehl¬ vorräte aufzuzeichnen und das Ergebnis ihrer Recherchen dem Magistrate bekannt zu geben.31 Wie es sich herausstellte, waren Mehl und Roggen, von denen sich die „arme Bürgerschafft ond Handwerchsleuth“ ernährten, nur in ungenügender Menge vorhanden. Es wurde daher den Bäckern bei Androhung „ernstlicher vnablessiger be¬ straffung“ aufgetragen, sich mit Getreide, Weizen und Korn, einzudecken.32 Ge¬ nügend Getreide einzulagern war auch wegen der geplanten Einquartierung von Soldaten des Scheubergischen Regimentes in Steyr dringlich geworden. Überdies 4 97

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