Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1960

Stadtnähe Zimmer zu beziehen. Nur den alten Conrad Khun wollte man in der Stadt behalten. Er sollte im Spital hausen, wo er, mit Ausnahme des Predigens, seinen Amtsverrichtungen im geheimen nachgehen könnte.18 Die Bürgerschaft war mit dem Abzug der Prediger nicht einverstanden. Erst, als man ihr mitteilte, wie schwer die zu erwartenden Strafen bei Nichtbefolgung des kaiserlichen Befehles wären, willigten auch sie in die Abreise ein.19 Pfarrer Lampl verließ mit seiner Familie nach 34jähriger Tätigkeit die Stadt. Am 18. 1. 1599 teilte der Rat den Predigern M. Müller und M. Rennman mit, daß man sie nicht länger in Steyr aufhalten wolle. Jenem wurden 50, diesem 30 Taler zur Be¬ # streitung ihres Lebensunterhaltes überreicht. Beide wollten vorläufig nach Sankt Peter in der Au ziehen.20 Von der Stadt wurde auch für den weiteren Lebens¬ unterhalt der protestantischen Geistlichkeit gesorgt. Am 29. 3. wurde über Rats¬ beschluß den Frauen M. Müllers und M. Rennmans das „Quatembergeld“ über¬ wiesen.21 Am 18. 6. wurde beschlossen, dem Diakon Rennman jedes Vierteljahr 40 Gulden „Römisch“ aus dem Ungeldgefälle zu geben.?“ In der Bevölkerung der Stadt brodelte und gärte es. Den meisten Bewohnern Steyrs war der katholische Gottesdienst fremd geworden, da der letzte vor nahezu 50 Jahren abgehalten worden war. Der Rat hatte den Viertelmeistern mehrmals befohlen, letztmalig am 10. 2., Unruhe zu vermeiden und die Bürger ermahnt, nichts „fürsetzlich“ und „muetwillig“ gegen die Ausübung der katholischen Religion zu unternehmen, da sonst nicht nur dem Rate, sondern auch der Bürgerschaft großer Schaden zugefügt werden könnte. Trotz der Verwarnungen kam es am 21. Februar zu einem Zwischenfall, der durch ledige Handwerker ausgelöst wurde. An diesem Tage wurde in der Pfarr¬ kirche, die zu Garsten gehörte, die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in Gegenwart des Landeshauptmannes Dr. Paul Garzweiler, des neuen Garstener Abtes Alexander vom See und anderer Persönlichkeiten festlich begangen. Gleich¬ zeitig wurde der neue Pfarrer Dr. Oberschwender durch den Passauer Suffragan Dr. Andreas Hoffmann in sein Amt eingeführt. Während der Messe versammelte sich eine empörte Menge vor der Kirche und lärmte. Es kam so weit, daß durch ein Kirchenfenster ein Ziegelstein geworfen wurde, der neben dem Landeshauptmann niederfiel. Dieser schickte die Trümmer des Steines dem Bürgermeister Muth als stumme Ankläger ins Haus. Um künftige Unruhen solcher Art hintanzuhalten, wurden von der Stadt für einen Wiederholungsfall Strafen an Leib und Gut angedroht.23 Der Landeshauptmann erteilte dem Rat wegen dieses Vorkommnisses einen Verweis, überdies entsandte er zwei Kommissäre, Dr. jur. Salomon Solinger und Caspar Pürner, nach Steyr. Diese gaben dem Rat bekannt, daß sie beauftragt wor¬ den wären, dem katholischen Gottesdienste in der Kirche beizuwohnen, Erkundigun¬ gen wegen der stattgefundenen Tumulte zu machen, namhaft gemachte Personen einzuziehen und nach Linz zu überstellen, sowie Wachen der Bürgerschaft und des Rates bei der Pfarrkirche aufziehen zu lassen.24 Die versammelten Ratsherren erklärten den Kommissären, daß es ihnen nicht zu stellen, da man möglich sein werde, Wachen der Bürgerschaft und des Rates dazu ja niemand zwingen könne. Aber es würden die städtischen Gerichtsdiener, die Marktrichter und Stadtwachen zur Verfügung gestellt werden. Was von den Kom¬ „ missaren namhaft gemachte Personen beträfe, so würde das Stadtgericht diese in Haft nehmen. Sollten sie schuldig befunden werden, wolle man sie in Steyr be¬ strafen. 25 Zu einem neuerlichen Zusammenstoß kam es während der Osterfeiertage 1599. Handwerksburschen Um die Stadtpfarrkirche hatte sich eine große Anzahl lediger Pfarrhofe bei einem eingefunden, während die Religionskommissäre im benachbarten höhnenden Zurufen Mahle saßen. Aus den Fenstern des Pfarrhofes wurden unter 96

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