Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1960

samen rath vnuerschuldter ding mit vnwarheit wacker ins Salz“.1 Diese Mitteilung bewirkte daß eine Reihe wichtiger Ratssitzungen nicht mehr im Rathause, sondern in der Wohnung des Stadtschreibers Höber abgehalten wurde, um ein vorzeitiges Bekanntwerden der Beschlüsse zu verhindern.14 Wie ernst und bedrohlich die Zeit für die Existenz eines öffentlichen Angestell¬ ten eingeschätzt wurde, zeigt wohl am besten ein Ersuchen, das Stadtschreiber Mel¬ chior Höber an den Rat richtete. Er bat ihn, in „billichen sachen ond für (vor) ge¬ waltt notturftiglich (zu) schützen ond schirmen ond (ihm) nichts vngelegenes wider¬ fahren Zulassen“. Als Stadtschreiber sehe er sich in höchster Gefahr „so wol des leibs als auch des lebens“. In welcher Angelegenheit immer der Rat ihn habe Briefe schreiben lassen, wisse er sich keiner unredlichen Tat schuldig. Der Inhalt der verfaßten Briefe sei stets vom Rate beschlossen und die Schreiben vor der Absendung nochmals verlesen worden. Falls man ihn für diese Briefe einmal zur Verantwor¬ tung ziehen sollte, bäte er den Rat, den ja die Verantwortung für den Inhalt dieser Schreiben trifft, sich hinter ihn zu stellen, andernfalls solle „ain anderer vud waiß nit wer in ainem solchen mühesamen officio (Amt)“ verbleiben. Da nunmehr, wie Höber ausführte, bald ein „Bäpstischer“ Stadtschreiber an seiner Stelle sein und ihn absetzen werde, müßte er sich um einen anderen Aufenthaltsort umsehen. Alles was er in Steyr verdient hätte, wäre zum größten Teile auf seine „gebeur ond Haußhaltung“ aufgegangen. Da ihm wenig Barmittel zur Verfügung ständen, bitte er den Rat auch, ihm die seinerzeit versprochenen Honorare für seine zusätzliche „starcke ond schier oumenschliche mühe ond labores (Arbeiten)“ bei den zwei Eisen¬ kommissionen und bei der neuen Wiener „rauch Eisenstaigerungs Commihsion“ aus¬ zufolgen. Er hoffe, daß der Rat jetzt sein Versprechen einlösen werde. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so werde er zur Erlangung seines Honorares für die ge¬ leisteten Mehrarbeiten „andere mittl Zu dessen erlangung an die Handt... nem¬ ben“. In seiner Antwort stellte der Rat fest, daß Höbers Treue, Fleiß und Be¬ mühungen im Dienste immer geschätzt worden wären. Es sei schon immer beabsich¬ tigt gewesen, die Sonderarbeiten zu honorieren. Hätte man früher daran erinnert, so wäre dies längst geschehen. Man werde dies sofort nachholen. Es wurde durch die Ratsherren auch erklärt, daß sich Höber jederzeit auf ihren Schutz verlassen könne. Man lege auf seine wertvollen Dienste auch noch weiterhin großen Wert, ganz besonders in dieser traurigen Notzeit.15 Die Rückkehr der Gesandten der Bürgerschaft aus Linz am 7. 1. gab Grund, neuerdings über die Lage zu beraten. Die beigezogene evangelische Geistlichkeit meinte, da der Feind „sehr schnarcht ond Pocht sye die gefahr (für den evangelischen Glauben) nit so groß, alß wenn er arglistig mit den sachen vmbging“. Man solle die Pfarrkirche sperren und die Predigten in der Schul= und in der Spitalskirche abhalten. Dieser Ansicht schlossen sich die versammelten Ratsherren an. Die Pre¬ diger sollten nicht mehr das Wort Gottes künden, sondern in ihren Wohnungen ver¬ bleiben, wo man sie jederzeit zu Rate ziehen könne. Kindertaufen, Krankenbesuche und andere Glaubensverrichtungen sollten von den Diakonen Rennman und dem „pestilentialis“ Conrad Khun besorgt werden. Auch sollten sie nicht predigen und nur Gläubige, von denen sie verlangt würden, in deren Häusern besuchen.16 Eine neue Delegation wurde nach Linz geschickt, um dort wegen der Pfarr¬ schlüssel vorzusprechen und bei den Verordneten der politischen Stände Rat einzu¬ holen. Gleichzeitig hatte sie Dr. Paul Garzweiler 50 Dukaten und seiner Frau 25 Dukaten namens der Stadt zu überreichen, da er von den Ratsherren und dem Bürgermeister als sehr einflußreicher Mann betrachtet wurde, in dieser „religions tractation“ fast das „factotum“ sei, und seine Geneigtheit Steyr sicher zum Vorteil dienen werde.17 Bei dieser Vorsprache erfuhren die Gesandten, daß sich die Lage neuerdings verschärft habe, daß unbedingt darauf bestanden würde, alle Predigten einzustellen und die Prädikanten, wenn sie sich noch länger in der Stadt aufhielten, an Leib und Leben belangt würden. Man schlug nun den Predigern vor, sich eiligst auf benachbarte Schlösser zu begeben, wo sie sicher wären. Sie aber beschlossen, in 95

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2