gekrönt, auf einer eigens dafür errichteten Bühne an den Pranger gestellt und dann aus dem Burgfried (der Stadt) verwiesen. Die Verweisung aus der Stadt mußte nicht, wie in diesem Fall, eine auf ewige Zeiten sein, sondern man setzte jeweils eine angemessene Zeit für die Ver¬ bannung fest: 1 Jahr, 6 Jahre, ewig . . ., dabei wurde auch meistens vom Verbann¬ ten verlangt, daß er Urfehde schwöre, bevor er die Stadt verließ. Auch auf „Eisen¬ arbeit“, d. h. Arbeit in Ketten für eine festgesetzte Zeit konnte das Urteil lauten oder auf: 1 Stunde lang vor der Pfarrkirche in einer schwarzen Kutte ohne Ka¬ puzestehen, einen Zettel um den Hals, der Auskunft über die Missetat gab. Das alles aber galt nur für leichte Fälle, in denen keine Anklage wegen Kin¬ desmord erhoben oder diese nicht aufrecht erhalten werden konnte. Wie ernst im andern Falle die Verhandlungen durchgeführt und die Urteilsfindung vorbereitet wurde, zeigt der schon erwähnte Akt der Maria Seyfridtin. Dreimal wurde die Angeklagte dem Gericht vorgeführt und befragt, das Protokoll verzeichnet je 21 „Fragstuckh“ und es sind ihnen jeweils die Antworten der Delinquentin beigefügt. Am Schlusse folgt stets ein zusammenfassendes, von der Angeklagten bestätigtes Be¬ kenntnis. So wurden Vorgeschichte und Durchführung der Tat rekonstruiert und die Person der Angeklagten tritt in einfachen aber klaren Linien aus den Worten ihres Bekenntnisses. Sie leugnete nichts beschuldigte niemanden, auch nicht den Vater ihres Kindes, der ebenfalls verhaftet worden war, und fast hat man beim Lesen ihrer Aussagen den Eindruck, als hätte dieses zwanzigjährige Mädchen mit einer gewissen Erleichterung nun endlich von allem gesprochen, das sie monatelang mit Furcht und Schmerzen erfüllt hatte. Protokolle sind immer etwas Nüchternes, sol¬ len es wohl sein, doch liegt es vielleicht auch daran, daß man damals nicht steno¬ graphieren konnte, daß in diesen Gerichtsakten wirklich nichts anderes als ein küh¬ les Bild von Frage und Antwort entsteht. Der Gerichtsschreiber wird froh gewesen sein, das Allerwichtigste mitzubekommen und konnte sich natürlich nicht darauf ein¬ lassen, Gefühlsregungen der Angeklagten oder Bemerkungen über den Gang der Verhandlung einzuflechten. Es wurden auch scheinbar außer dem Kindesvater keine Zeugen einvernommen, was ja wegen des lückenlosen Bekenntnisses der Angeklagten gar nicht notwendig war. So entstand ohne Abschweifung vom Hauptthema der Anklage das Bild der Tat und der Weg, der zur ihr geführt hatte. Manches aus diesem Gerichtsprotokoll gäbe sicher prächtige Schlagzeilen für die Presse des 20. Jahrhunderts, doch ist an¬ zunehmen, daß auch die Sensationslust der In= und Umwohner des Alten Steyrs von 1679 nicht zu kurz kam. Seufzend vor moralischer Entrüstung konnte man nun endlich offen davon sprechen, daß man „es“ schon lange gewußt und der Seyfridtin immer schon ein schreckliches Ende prophezeit habe, daß der Krug solange zum Brun¬ nen gehe... — in dieser Beziehung hat sich bestimmt nichts seit Jahrhunderten ge¬ ändert und wer den Faust kennt, kennt auch das Gretchen — und die Frau Marthe Schwerdtlein. Die Schuld der Kindesmörderin soll nun keineswegs verkleinert werden, die Angeklagte selbst hat sich keinerlei Illusionen über ihr Verbrechen und seine Folgen hingegeben, aber ein halbvollgekritzeltes Briefblatt, das dem Akt Seyfridt beiliegt, zwingt den Leser förmlich, in die Richtung der tuschelnden, sich entrüstenden Selbst¬ gerechtigkeit zu blicken. Es steht nichts auf dem Blatt, das darüber Auskunft gäbe, ob es sich um einen Brief, ein Protokoll oder lediglich um eine Notiz des Schreibers handelt, über eine vertrauliche Aussage eines Zeugen oder Angeklagten, vielleicht aber auch um beides, es ist nämlich sichtlich von zwei verschiedenen Dingen die Rede. Zuerst gibt jemand an, was er bei seinem Bruder an Gewand liegen habe und es ist unter den „Hemmetern“ und Strümpfen auch ein Mieder dabei, dieser Jemand also weiblichen Geschlechts —vermutlich brauchte die Eingekerkerte frische Wäsche und man schickte darum zum Bruder bzw. zur Schwägerin. Im 2. Absatz ist dann aber von der Angeklagten die Rede und der Schreiber oder, was wahrscheinlicher ist, die Schreiberin gab vielleicht anstatt der verlangten Wäsche einen kleinen Bei¬ trag zur Skandalchronik. „Ich möchte gerne wissen, ob das recht ist“, so beginnt der 76
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2