Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1959

Ein guter Ro von Hleinz Werner Eins Zwei ... Drei „Wann i mei Dirnderl halsan tua, macht es die Auglein zua . . .“ Mit verzwei¬ felten Taktbewegungen seiner Hände rang der Herr Gemeindesekretär Eberlberger, im Nebenberuf verdienstvoller Chormeister des ländlichen Gesangvereines „Almen¬ rausch“, den etwa dreißig Sangesbrüdern den langsamen Dreivierteltakt ab. Der „Almenrausch“ stand nicht nur beim Essen und Trinken, sondern auch beim Singen auf durchaus beachtlicher Höhe. Einer der eifrigsten Sänger war der Lehmbichler Franz, der noch junge, etwas schüchterne Hufschmied des kleinen Mark¬ tes. Ein starker, großer Kerl mit Händen, die einen besonderen Waffenpaß gebraucht hätten, so fest waren die, aber sonst harmlos und ungefährlich, das war der Lehm¬ bichler Franz. Geld hatte der nie in der Tasche, weil ihm seine Alte zu jeder Probe nur einen schäbigen Schilling auf ein Krügel Most mit der Drohung mitgab, daß sie ihm, falls er nicht jedesmal um Viertel über zehne heimkäme, sauber mit Hilfe des Prackers die Leviten lesen werde. So kam es, daß der Lehmbichler Franz der einzige war, der nach jeder Probe genau um zehn Uhr die Probe verließ und heim¬ ging. Natürlich hätte der Franz gerne gelegentlich eins über den Durst getrunken, aber da war ja seine Alte... Die Leut' tratschten in dieser Hinsicht ja allerhand herum. Neulich beehrte der Herr Bürgermeister Schnalzenberger in seiner Eigenschaft als Ehrenvorstand des „Almenrausch“ die Probe mit seiner Anwesenheit und ließ nachher ein größeres Quantum des starken heimischen Apfelmostes auf seine Ko¬ sten auffahren. Dies hatte zur Folge, daß auch der Lehmbichler Franz so ungefähr nach dem zehnten Krügel einen sitzen hatte und dadurch ganz übersah, daß es inzwi¬ schen bereits gegen Mitternacht ging. Plötzlich aber stand er, während gerade die Sängerrunde zu Ehren des Bürger¬ meisters den allgemein beliebten Grabgesang „Hauts'n eini, hauts'n eini, eini in dö tiafe Gruam“ zum besten gab, wankend auf und begab sich gröhlend auf den Heim¬ weg. Der junge Lehrer, der Tobias Holzleitner, der auch gerade richtig voll war, erbarmte sich des Sangesbruders und geleitete den Lehmbichler, so gut er konnte nachHause. „I bitt' di gar schön“ wimmerte plötzlich der Franz, „Holzleitner i bitt' di bringmi nöt hoam, mei Alte darschlagt mi!“ „Du, Loambichler“, schrie der Lehrer, „scham di, du bist do a Mann, dös wär schlecht!“ nöt „Jo, jo, was woaßt denn du, i muaß ja wann i z'spat hoamkimm, mi alleweil niaderknian und um Verzeihung bitten, dann kriag i erst meine Dresch ... Mariand¬ jose was soll i denn tuan ... Da packte der Holzleitner den Franz Lehmbichler bei den Schultern und schaute dem in die vor Furcht und Rausch verglasten Augen: „Du, Loambichler, paß jetztn guat auf: Woaßt was tuast? Wia's a oanzigs Wort sagt deine Alte, haust du ihr rechts und links oane eini, daß es nur so schnalzt, verstehst, dös wär nöt schlecht, so putz di jetzt...“ Und dann schob er den Franz bei der Haustür hinein. Bei der nächsten Probe blieb der Lehmbichler sitzen. Drei Gulasch hatte er schon hinter sich und fünf Krügel Most. Und um viertel über zwei in der Früh mußte ihm die Wirtin vom „Roten Faßl“ noch einen Schweinsbraten warm machen, wozu er auch noch zwei Krügel Bier brauchte. Und das Geld klimperte in der Hosentasche, wie beim Mesner im Klingelbeutel. 49

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