46 Manchesmal, in den Nächten der Verzweiflung schrie er qualvoll auf: „.. sie wardie einzige Frau, die ich mit ganzer Seele liebte... für die sich das Leben lohnte... ach dieser verdammte, unselige Krieg... ich will nicht mehr leben ... hörstdu ... sag es ihr, wenn du heimkommst, ich will nicht... mehr!“ Dann verschaffte der Arzt dem Verwundeten durch eine Spritze den so notwen¬ digen Schlaf... So war das damals am Ilmensee. * 4 Nun ertönen vom Podium her die letzten Entscheidungen in das wie gebannt lauschende Publikum. Mit breiten Bewegungen seiner Hände entreißt der Dirigent demOrchester die erlösende Verklärung der ewigen Melodie vom Menschsein ... Als die letzten Töne verklingen, bewegt der blinde Mann an meiner Seite zum erstenmal seinen Kopf. Ganz langsam, wie in tiefer Demut neigt er ihn auf die Brust. Die schlanke Frauenhand auf seiner Linken liegt nun ganz still.... Dann rauscht plötzlich rasender Beifall durch den Saal. Eine seltsame Scheu hielt mich davon ab, mich meinem alten Kaméraden zu erkennen zu geben. Fassungslos stand ich vor dem Wunder einer Liebe, die ich Arm¬ seliger nicht begreifen konnte. Erschüttert schlich ich mich nach Schluß des Konzertes ausdem Saal. Vielleicht kann ich ihm und seiner Frau zu einer geeigneteren Stunde einmal die Hand drücken. * * Brich nicht die Stecel Brich nicht die Siegel des vergilbten Schweigens. Aus dem Gesagten wächst der Turm der Schuld. Und wilder wuchern aus der Not des Neigens erpreßter Demut Haß und Ungeduld. Wirf nicht die Bilder überlebter Jahre zum Unrat des Vergessens, wie ein Ding. Die Spötter ahnen nicht die Spur in's klare Gefild der Frühe, das sie nie umfing. Zieh nicht die Netze aus des Leides Tiefen. Nur Grauen gähnte aus verweg'nem Fang: Du fändest Seelen und das trübe Triefen von ungesühnter Sünden faulen Tang. Der Mond hängt müde zwischen Nachtgesichten. Es tanzen Narren um des Brunnens Grund. Gott aber wartet lächelnd, statt zu richten. Und du mußt schweigen aus der Wunde Mund. Veronika Handlgruber=Rothmayer
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