Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1959

Steyr, Oberösterreich F. ALMAUER & CO. Serninger Straße 56 LEBENSMITTELGROSSHANDEL Telefon 3170 Stadt, insbesondere in der Großstadt herankommt, absolvierte er in Steyr die Real¬ schule, wurde dann Bankbeamter, oblag seiner Kriegsdienstpflicht und übersiedelte nach dem Zusammenbruch der österreichisch=ungarischen Monarchie nach Linz, wo er noch immer, erst jüngst nach einer schweren Operation, die vollauf geglückt ist, wieder zu neuer Gesundheit genesen, als freier Schriftsteller lebt. Stets hat er sich volksbildnerischen Aufgaben gewidmet, aber diese Neigung kam zweifellos aus seiner tiefern Liebe zur Sprache, insonderheit zur Sprache der Jäger, Bauern, Holzknechte, ja überhaupt der Bewohner seiner engeren Heimat, des Steyrtales um Molln, und so ist er heute auch ein Mundartdichter von hohem Rang, der bedeutendste in Oberösterreich, den wir derzeit nachzuweisen haben, wahrschein¬ lich aber der hervorragendste in ganz Österreich. Er hat, nach so manchem Versuch anderer, die Mundartdichtung zu bloßer Reimerei mit mehr oder minder witziger Pointe zu erniedrigen, aus dem mundartlichen Wort wiederum echte Poesie gemacht, ähnlich wie vor ihm der Innviertler Franz Stelzhamer, mit dem er in einem Atem¬ zug genannt werden kann, ohne daß man dadurch Stelzhamer herabsetzte und Jung¬ mair hinauflobte. Es ist so; es ist wahr. Sein Gedichtband „Stoan und Stern“, seine „Hoamat=Meß“, deren Text der österreichische Tondichter Franz Neuhofer kongenial vertont hat, sein „Spiel vom Helmbrecht=Moar“, in vielen Aufführungen als ein vor¬ bildliches Laienspiel erprobt, seine Übersetzung der Gedichte und Sprüche Walthers von der Vogelweide in unsere Mundart unter dem Titel „Unter der Linden“ und ein leider noch nicht erschienenes Wörterbuch der oberösterreichischen Mundart „Un¬ sere Volkssprache“ sind beredte Zeugen hiefür. Andererseits ist von Otto Jungmair ein schmaler Gedichtband in hochdeutscher Sprache „Non confundar“ erschienen, ein einziges Loblied auf den heimischen Ge¬ nius Anton Bruckner, die Lebensstationen des Florianer Meisters und seine Werke in strengem, geistdurchglühtem Wort deutend, eine ebenso giltige dichterische Leistung wie seine Mundartdichtungen. Auch als Erklärer des Lebens= und Schaffensweges Adalbert Stifters ist Otto Jungmair gewichtig. Schließlich hat er sich als Essayist über das oberösterreichische Kunst= und Kulturleben längst einen guten Namen ge¬ schaffen. Diese Arbeiten legen Zeugnis davon ab, daß er nicht nur ein reiches Wissen auf diesem Gebiet besitzt, sondern auch seit je die Mahnung Nietzsches beherzigt hat, an einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule zu meißeln. Prosa wird einem deut¬ schen Schriftsteller ebensowenig geschenkt wie der Vers, das Gedicht. Demnach: eine reine und reife, ja auch reiche, denkt man nur an die vielen klei¬ nen Arbeiten, künstlerisch=schöpferische Leistung, die sich nunmehr, da Otto Jung¬ mair 70 Jahre alt geworden ist, auch in der Öffentlichkeit auszuwirken beginnt. Das ist erfreulich gerade bei soviel Scharlatanerie in dieser geistigen Disziplin, bei einer Sucht neu zu sein, ohne zu begreifen, daß alles Neue sich doch nur über die alten Wege erfüllen kann. In diesem Sinne ist Otto Jungmair ein getreuer Wächter einer bodenständigen Kunst und Kultur, die sich wohl wandelt, aber niemals Formen und Ideen annehmen darf, denen alles Schöne und Sittliche fremd ist. Form und Idee in der Dichtung sind vor allem heutzutage ethische Postulate. So grüßen wir den Jubilar aus seiner Vaterstadt, stolz darauf, daß er unser engerer Landsmann ist, und in der Hoffnung, daß seine Schaffenskraft noch lange nicht versiegen wird. Seine körperliche Rüstigkeit läßt dies aufs bestimmteste erwarten. Carl Hans Watzinger 42

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