Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1959

wirklich um eine Pest gehandelt zu haben. Das Wort „Pestilennz“ wird in den Ratsprotokollen erstmalig im Jahre 1582 verwendet, während bis zu diesem Zeit¬ punkte in diesen immer nur von Infektionskrankheiten geschrieben wird. Gegen diese Seuchen traf der Magistrat sehr modern anmutende Maßnahmen. 1575 traten in zwei Orten der Umgebung Infektionskrankheiten auf. Der Rat ließ vorerst seine 1570 erlassene Infektionsordnung in Erinnerung bringen.? Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen war aber die Seuche doch in die Stadt eingesickert, und es erging ein Auftrag an die Kirchendiener, Bader und Barbiere, sofort jene Kranken zu denen sie allenfalls gerufen würden, zu melden. Eine Gefahr für die Einschlep¬ pung bildeten die Flößer, die ja auf ihren Fahrten oft verseuchte Orte berührten und so als Bazillenträger in Frage kamen. Es erging daher vom Rate der Befehl, falls sie, wie üblich, oft auch Geld überbrachten, sie kurz abzufertigen. Die Suppe, die man ihnen gebräuchlicherweise für diesen Dienst zu geben schuldig war, sollte man in anderer Form erstatten. 100 Als 1582 in Böhmen, Schlesien und auch an anderen Orten Infektionskrank¬ heiten wüteten und die Gefahr einer Übertragung bestand wurde es den Gastgebern und Bürgern Steyrs untersagt, Handwerker, Landsknechte oder andere Personen ohne Genehmigung des Stadtrichters zu beherbergen oder zu behausen. Neuerlich wurde verboten, Abfälle und Abwässer aus den Häusern auf die Straßen zu schüt¬ ten, wie es anscheinend in der Berggasse oft geschah. Die Misthaufen in den Häusern der Stadt und entlang der Enns sollten entfernt werden. Wenn Schweine in den Stadthäusern oder unter Brücken gehalten wurden, mußten sie abseits von Straßen, außerhalb der Orte, gebracht werden. Dem Marktrichter wurde aufgetragen, diese Verfügung des Rates in jedem Hause zu publizieren.1 Trotz aller dieser Vorsichts¬ maßnahmen erkrankten Leute in den Stadtteilen Ort und „am Güssibl“. Bei An¬ drohung einer Strafe an Leib und Gut untersagte der Rat auch das Verlassen der Häuser, die Erkrankte beherbergten. Dem Papierer wurde verboten, seine, für die 103 Papiererzeugung notwendigen Hadern in die Stadt zu bringen.! Zur Betreuung der infizierten Kranken im Spital wurde der Prädikant Casvar Wunderlich bestellt, dem die Stadt hiefür als Honorar 5 Gulden in der Woche be¬ zahlte. Überdies wurden ihm für seine seelsorgerische Tätigkeit ein Kelch und ein neues Bartuch angeschafft.14 Trotz der anderweitigen finanziellen Sorgen, welche die Gemeindestube belaste¬ ten, beschloß der Rat im Jahre 1574, die Bücherei des verstorbenen ehemaligen Rek¬ tors Pegaeus anzukaufen.ls Diese Bücherei wurde 1583 aus dem Winklerischen Hause in die „Liberey Gemainer Stat“ (Stadtbücherei), die sich im Kloster befand, gebracht. 106 Zu Ehren des Rates veranstaltete Rektor Georg Mauritius am 11. 2. 1578 ein „Comedie oder Spill“ im Rathaus. Da auch dem früheren Rektor der Lateinschule für ähnliche Veranstaltungen „ain verrechnung beschehen und diese Comedie dem Jezigen Rektor auch nit geringe bemuehung gegeben hat“ schlug Händl dem Rate früher vor, dem Mauritius für die Aufführung ein Honorar der Höhe, wie es auch Taler bezahlt wurde, zu bewilligen.17 Rektor Mauritius erhielt am 26. 2. zwölf ausgefolgt. 18 1582 brachte Bürgermeister Händl in einer Ratssitzung vor, daß es bisher Brauch war, allen Stadtbewohnern, die sich verheirateten und in Steyr Hochzeit hielten, gewisse Räume des Rathauses zur Hochzeitsfeier und dem folgenden Tanze zur Verfügung zu stellen. Da in den Stuben Steuer= und anderes Gefällsgeld auf¬ bewahrt werde, sei er gegen die Weiterverwendung der Rathauszimmer für solche Zwecke. Weiters wurde bemängelt, daß die Bürger bei den vorgenannten Anlässen die „Turner“=Musik in Anspruch nahmen. Dies werde der Stadt und ihrer Bürger¬ schaft „ungelegen“ nachgeredet. Der versammelte Rat beschloß nun, die Abhaltung der Hochzeitsfeiern im Rathaus nicht mehr zu genehmigen. Überdies wurde der Stadtkämmerer beauftragt, die nassen Mauern des Zimmers, in dem getanzt wurde, 107

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